Feuchtwanger,
Lion (Schriftsteller)
*
7.7.1884 München +
V: Bankier
abs.
1903
Brüder am WG: Ludwig, abs. 1904, s.d.
Martin (1. 1896/97 – 3. 1898/99)
(JB WG 1902/03)
Lion Feuchtwanger
(* 7. Juli 1884 in München; † 21. Dezember 1958 in Los Angeles) war ein
deutscher Schriftsteller und einer der meistgelesenen deutschsprachigen Autoren
des 20. Jahrhunderts.
Lion Feuchtwanger
wuchs in einer begüterten Familie als Sohn des jüdisch-orthodoxen
Margarinefabrikanten Sigmund Aaron Meir Feuchtwanger und dessen Ehefrau Johanna
geb. Bodenheim auf. Er war der Bruder des Juristen Ludwig Feuchtwanger und des
Journalisten und Schriftstellers Martin Feuchtwanger.Über
Lions Mutter ist nur wenig bekannt; sie war streng, engherzig, sie war von
kleinstädtischer Herkunft und sie pflegte pedantisch über die häusliche Ordnung
zu wachen. Lions schulische Karriere begann mit sechs Jahren auf der
Volksschule in Sankt Anna. Anschließend besuchte er das konservative Münchner
Wilhelm-Gymnasium. Lion beschrieb seine Ausbildung als „Pedantisch und
nüchtern, ohne Sport, konservativ und patriotisch; ohne Zusammenhang mit dem
realen Leben.“ Zu seinen schulischen Aktivitäten kommt noch das tägliche,
mindestens eine Stunde dauernde Studium der hebräischen Bibel und des
aramäischen Talmuds unter der Leitung eines Privatlehrers, meistens um fünf Uhr
morgens.
Schon früh
unternahm Lion Feuchtwanger erste Versuche als Schriftsteller, die ihm bereits
als Schüler einen Preis einbrachten. 1903 schloss er die Schule mit dem Abitur
am humanistischen Wilhelmsgymnasium München ab. Danach studierte er Geschichte,
Philosophie und Deutsche Philologie in München und Berlin, wobei er sich stark
vom Elternhaus löste. Er promovierte 1907 bei Franz Muncker
über Heinrich Heines Der Rabbi von
Bacharach. Von einer Habilitation nahm er aufgrund der Beschränkungen für
Juden Abstand.
Feuchtwanger
gründete 1908 seine eigene Kulturzeitschrift Der Spiegel, dessen erste Ausgabe am 30. April erschien. Nach 15
Nummern und sechs Monaten fusionierte sie jedoch auf Grund finanzieller
Probleme mit der von Siegfried Jacobsohn herausgegebenen Zeitschrift Die Schaubühne, für die Feuchtwanger von
nun an schrieb. 1912 heiratete er die jüdische Kaufmannstochter Marta Löffler.
Sie war bei der Hochzeit schwanger. Die Tochter, das einzige Kind des Paares,
starb kurz nach der Geburt.
Nach Ausbruch des
Ersten Weltkriegs wurde er im November 1914 als Ersatzreservist zum
Militärdienst eingezogen, aus dem er aus gesundheitlichen Gründen einen Monat
später entlassen wurde. Bereits 1918 entdeckte er das Talent des jungen Bertolt
Brecht, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte. Während der
Novemberrevolution 1918/1919 war Feuchtwanger krank und unbeteiligt.
Nach einigen
Erfolgen als Dramatiker verlagerte er seinen Schwerpunkt auf den historischen
Roman. Am erfolgreichsten war Jud Süß
(geschrieben 1921/22, veröffentlicht 1925), der auch international bereits ab
1926 großen Anklang fand, nachdem Feuchtwanger lange in Deutschland vergeblich
einen Verleger gesucht hatte. Die antisemitische Thematik schien unpopulär.
Sein zweiter großer Erfolg war Die häßliche Herzogin Margarete Maultasch.
Aus beruflichen Gründen zog er 1925 nach Berlin, 1932 in eine große Villa am
Grunewald. 1932 erschien der erste Teil der Josephus-Trilogie Der jüdische Krieg. Feuchtwanger sprach
sich für den Kosmopolitismus aus und damit auch gegen einen jüdischen Nationalismus.
Auch richtete er sich gegen den marxistischen Historischen Materialismus. Sein
Interesse galt fortschrittlichen Intellektuellen als Wegbereiter der
gesellschaftlichen Entwicklung.
Feuchtwanger
erkannte sehr hellsichtig als einer der ersten die Gefahren durch Hitler und
die NSDAP. Bereits 1920 erscheint in dem satirischen Text Gespräche mit dem
Ewigen Juden als Vision, was später als Folge Antisemitischen Rassenwahns
Wirklichkeit wird:
„Türme von hebräischen Büchern
verbrannten, und Scheiterhaufen waren aufgerichtet, hoch bis in die Wolken, und
Menschen verkohlten, zahllose, und Priesterstimmen sangen dazu: Gloria in excelsis Deo. Züge von Männern, Frauen, Kindern schleppten
sich über den Platz, von allen Seiten; sie waren nackt oder in Lumpen, und sie
hatten nichts mit sich als Leichen und die Fetzen von Bücherrollen, von
zerrissenen, geschändeten, mit Kot besudelten Bücherrollen. Und ihnen folgten
Männer im Kaftan und Frauen und Kinder in den Kleidern unserer Tage, zahllos,
endlos.“
Wesentlich genauer
erscheinen die Figuren des „braunen Münchens“ der 1920er Jahre in dem 1930
erschienenen Schlüsselroman Erfolg,
in dem Feuchtwanger in der Figur Rupert Kutzners ein
leicht erkennbares Porträt Hitlers zeichnet.
Im November 1932
brach er zu Vorträgen nach London und in die USA auf. Die
nationalsozialistische „Machtergreifung“ Ende Januar 1933 machte seine Rückkehr
nach Deutschland unmöglich, denn Feuchtwanger galt den Nationalsozialisten als
einer ihrer intellektuellen Hauptgegner. Seine Bücher wurden ein Opfer der
Bücherverbrennung 1933. Sein Name tauchte im Sommer 1933 in der ersten
Ausbürgerungsliste Hitlerdeutschlands auf. Eine literarische Frucht dieser
Phase war der Roman Die Geschwister
Oppermann.
Seit 1933, bereits
in der Frühzeit des Nationalsozialismus, lebte Feuchtwanger in Sanary-sur-Mer, einem Zentrum des deutschsprachigen Exils
in Südfrankreich. Aufgrund der hohen Auflagen seiner Bücher, insbesondere im
angelsächsischen Sprachraum, hatte er dort ein gutes Auskommen.
Unter anderem als
Folge der wenig antinazistischen Haltung der Westmächte näherte er sich weiter
dem Sowjetkommunismus an. Als der mit der Sowjetunion sympathisierende André
Gide 1936 nach einer Reise dorthin einen kritischen Bericht unter dem Titel
Retour de l’U.R.S.S. („Zurück aus der Sowjetunion“)
veröffentlichte und darin neben vielem anderen die Verfolgung missliebiger
Kommunisten durch Stalin anprangerte, ließ Feuchtwanger sich von der
Sowjetunion für eine Propagandaaktion einspannen. Werbewirksam reiste er vom
November 1936 bis Februar 1937 durch die Sowjetunion, in der seine Werke mit
Hilfe Artemi Chalatows verlegt
wurden. Er traf mit vielen Menschen zusammen und verfasste einen Bericht
darüber. Mit Stalin sprach er (mit Dolmetscher) am 7. Januar 1937 „gewundenes
Zeugs über die Freiheit des Schriftstellers, den Stalinkult,
über Demokratie und den Prozess“. Außerdem durfte er zweimal einem der Moskauer
Schauprozesse gegen die alte Garde der Bolschewiken beiwohnen, an einem Tag war
Karl Radek unter den Angeklagten.
Feuchtwanger
übersah geflissentlich, dass ihm Potemkinsche Dörfer vorgeführt worden waren.
In seinen Reiseeindrücken Moskau 1937 rechtfertigte er unter anderem die
Schauprozesse gegen angebliche Trotzkisten, da nach vier Jahren Faschismus in
Deutschland und der Untätigkeit der westlichen Demokratien im spanischen
Bürgerkrieg „die Zeit der falschen Alternativen angebrochen war“ (Wilhelm von
Sternburg, 2014). Feuchtwanger erregte die Empörung von Arnold Zweig, Franz
Werfel und Bruno Frank und vielen kritischen Beobachtern des Stalinismus. Sein
Verleger Chalatow wurde noch 1937 verhaftet und
später ermordet. Kritik an Feuchtwangers stalinfreundlicher
Haltung war der Grund für die Verzögerung seiner Einbürgerung in die USA.
In dem Roman Exil, der kurz vor dem deutschen
Überfall auf die Niederlande erschien, schildert er das Leben Intellektueller
im französischen Exil. Dabei spielt die Affäre um die mit Gewalt erfolgte
Übernahme des Pariser Tageblatts durch einen Teil der Redaktion eine Rolle, die
im Buch die „Pariser Nachrichten“ heißen. In diesem 1939 erschienenen Roman
setzte er auch seiner zeitweiligen Geliebten und Freundin, der Malerin Eva
Herrmann, ein „zweifelhaftes Denkmal (..) in der Gestalt der Lea Chassefierre, einer Halbjüdin, die seit vielen Jahren die
Geliebte des Journalisten Erich Wiesener ist“. 1992 wurden im Nachlass seiner
langjährigen Sekretärin Hilde Waldo Feuchtwangers Tagebücher von 1906 bis 1940
entdeckt. Die (für eine Veröffentlichung ungeeigneten) Tagebücher sind für
wissenschaftliche Zwecke im Feuchtwanger-Archiv der University of Southern California in Los
Angeles einzusehen.
Nach dem Beginn
des deutschen Westfeldzugs im Mai 1940 musste sich Feuchtwanger wie viele
andere Deutsche, die sich in Frankreich aufhielten als „étranger
indésirable“ (unerwünschter Ausländer), in das
Internierungslager Les Milles begeben, wo er bereits bei Kriegsausbruch 1939
für wenige Wochen interniert worden war. Später wurden die Gefangenen von Les
Milles aufgrund des Vorrückens der deutschen Truppen in ein provisorisches
Zeltlager nahe Nîmes verlegt. Von dort wurde er von Angestellten des
amerikanischen Konsulats in Marseille – als Frau verkleidet –
herausgeschmuggelt.
Mit Unterstützung
von Varian Fry konnte Feuchtwanger nach Monaten des
Wartens in Marseille mit seiner Frau unter abenteuerlichen Umständen über
Spanien und Portugal in die USA fliehen. Ab 1941 lebte er bis zu seinem Tod in
Kalifornien, ab November 1943 in der komfortablen Villa Aurora. Auch durch die
Einkünfte durch Filmrechte konnte er sich diesen Lebensstil mit einer großen
Bibliothek leisten. Feuchtwanger war 1944 Mitbegründer des Aurora-Verlages in
New York.
Nach dem Krieg
wurde er als Linksintellektueller argwöhnisch von den US-Behörden in der
McCarthy-Ära beobachtet. 1947 (also Jahre vor Arthur Millers Drama Hexenjagd von 1953) schrieb er ein
Theaterstück über die Hexenprozesse von Salem: Wahn oder Der Teufel in Boston, das 1949 in Deutschland
uraufgeführt wurde und 1953 in der Übersetzung von June Barrows
Mussey (The Devil in Boston) in Los Angeles und New
York aufgeführt wurde. Am Lebensende befasste er sich wieder mit jüdischen
Themen (Die Jüdin von Toledo) und
befürwortete einen jüdischen Staat als Zuflucht.
Durch die Werke
aus seiner Zeit in Frankreich und den USA zählt Feuchtwanger zu den großen
Schriftstellern der Exilliteratur. 1953 erhielt er den Nationalpreis der DDR 1.
Klasse für Kunst und Literatur. Dort wurde er im Allgemeinen als Antifaschist
und wegen seiner Sympathien für den Kommunismus in Ehren gehalten.
Lion Feuchtwanger
erkrankte 1957 an Magenkrebs. Nach mehreren Operationen starb er Ende 1958 an
inneren Blutungen. Er ist auf dem Woodlawn Cemetery in Santa Monica beerdigt.
Der Lion-Feuchtwanger-Preis wird seit 1971 für historische Prosa
vergeben.
Werke
…
(Wikipedia)