Fraenkel,
Gottfried (Entomologe,
Emigrant)
*
23.4.1901 München +
V: Justizrat u. Rechtanwalt
abs.
1920
(JB WG)
Gottfried Samuel Fraenkel (* 23. April 1901 in München; † 26. Oktober 1984
in Urbana, Illinois) war ein deutsch-amerikanischer
Zoologe (Entomologe).
Fraenkel war
ein Sohn des Juristen Emil Fraenkel (1867–1942) und seiner
Ehefrau Flora, geb. Weil. Er hatte eine ältere Schwester, Anny Roth (* 1900)
und eine jüngere Schwester, Lisbeth (1903–1939). Die Eltern und die ältere
Schwester emigrierten in den 1930er Jahren nach Palästina. Fraenkels
Onkel war der Kaufmann Siegmund Fraenkel. Sein Cousin
war der Mathematiker Adolf Abraham Halevi Fraenkel.
Fraenkel
besuchte das Wilhelmsgymnasium in München, wo er 1920 das Abitur bestand.
Anschließend studierte er Naturwissenschaften (Chemie) mit Hauptfach Zoologie
an der Universität München. Zwischendurch verbrachte er ein Semester an der
Technischen Hochschule in Breslau. Sein Hauptinteresse zu dieser Zeit galt dem
Verhalten und der Orientierung von Tieren. 1925 promovierte Fraenkel
mit einer von Otto Koehler betreuten Arbeit über Medusen (Quallen) zum Dr.
phil. (Prüfungsdatum vom 4. März 1925). Zur Sammlung von Material für diese
Arbeit hatte er einige Wochen an der Zoologischen Versuchsstation in Neapel
verbracht. Diese Reise war notwendig geworden, nachdem seine eigenen Sammlungen
von Blutegeln und Fischen durch einen Laborunfall zerstört worden waren. In
seiner Arbeit wies er nach, dass die Statozysten von
Medusen, diesen Tieren als Schwerkraftrezeptoren dienen – eine Vorstellung, die
in diametralem Widerspruch zu der damals herrschenden Lehrmeinung stand.
Nach dem Abschluss
seiner Promotion kehrte Fraenkel mit einem Stipendium
der Rockefeller-Stiftung zur Forschungsstation in Neapel zurück. Anschließend
arbeitete er eine Zeit lang als Lehrer an der Israelitischen Realschule in Leipzig.
1927 erhielt er ein Stipendium der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft,
mit dem er in der Folgezeit bei Alfred Kuhn an der Universität Göttingen
forschen konnte. Es folgten Tätigkeiten an den zoologischen Stationen Roscoff und Plymouth.
1928 ging Fraenkel, der sich bereits in den 1920er Jahren in der
zionistischen Bewegung, die in Deutschland Anfang der 1920er Jahre aufgekommen
war, engagiert hatte, nach Palästina, um dort als Lehrer zu arbeiten. Unter dem
Einfluss von F.S. Bodenheimer, dem Leiter der
Zoologischen Abteilung der Hebräischen Universität in Jerusalem, der ihm eine
Assistentenstelle anbot, wandte er sich von der schulischen Lehre ab und der
universitären Forschung zu. Den bald danach erfolgenden Ausbruch einer
Heuschreckenplage nahm er zum Anlass, um die Physiologie und das Verhalten von
Wanderheuschrecken zu erforschen, worüber er mehrere Arbeiten vorlegte. Im Zuge
seiner Untersuchung des Verhaltens von Heuschrecken entdeckte er den Tarsalreflex (die Entfernung des Substrates vom Tarsus
führt bei bestimmten Insekten dazu, dass diese eine flugübliche Körperhaltung
einnehmen und damit beginnen mit den Flügeln zu schlagen), der eine Grundlage
für weitere Laborstudien zum Insektenflug bildete. Er blieb bis 1930 in
Jerusalem.
Nach seiner
Rückkehr nach Deutschland lehrte Fraenkel, nachdem er
sich habilitiert hatte, von 1931 bis 1933 als Privatdozent Zoologie an der
Universität Frankfurt.
Nach dem
Machtantritt der Nationalsozialisten im Frühjahr 1933 wurde Fraenkel
aufgrund seiner – nach nationalsozialistischer Definition – jüdischen
Abstammung aus dem Staatsdienst verdrängt. Er siedelte noch im selben Jahr nach
London über, wo er als Forscher am University College der University of London unterkam. Während dieser Zeit führte er vielbeachtete
Experimente zur Ligation von Fliegenlarven durch.
Durch diese konnte er das Vorhandensein von Häutungshormonen (moulting Hormones) in Fliegen nachweisen, womit er eine
Grundlagenarbeit zur modernen Insektenendokrinologie leistete. 1935 wurde er
dann als Dozent (lecturer) am Imperial College of
Science and Technology an derselben Institution bestallt: Für diese Einrichtung war er dreizehn Jahre lang,
bis 1948, tätig. 1939 wurde er aufgrund des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs
zusammen mit dem Rest der Zoologisch-Entomologischen nach Slough
evakuiert.
Von den
nationalsozialistischen Polizeiorganen wurde Fraenkel
nach seiner Emigration als Staatsfeind eingestuft: Im Frühjahr 1940 setzte das
Reichssicherheitshauptamt in Berlin sie auf die Sonderfahndungsliste G.B., ein
Verzeichnis von Personen, die der NS-Überwachungsapparat als besonders
gefährlich oder wichtig ansah, weshalb sie im Falle einer erfolgreichen
Invasion und Besetzung der britischen Inseln durch die Wehrmacht von den
Besatzungstruppen nachfolgenden Sonderkommandos der SS mit besonderer Priorität
ausfindig gemacht und verhaftet werden sollten.
1946 unternahm Fraenkel eine Vortragsreise an die University of Minnesota. Auf diese Weise fiel er Kollegen von der
University of Illinois auf, so dass er 1947 einen Ruf
als Professor für Entomologie an diese Einrichtung erhielt. Nachdem er diesem
annahm, siedelte er 1948 in die Vereinigten Staaten über, wo er von 1948 bis zu
seiner Emeritierung im Jahr 1972 als Professor für Entomologie an der University
of Illinois lehrte. 1953 wurde er in den Vereinigten
Staaten eingebürgert.
Fraenkels
Hauptforschungsgebiete waren die vergleichende Sinnes- und Nervenphysiologie.
Während seiner Zeit an der University of Illinois
gelang es Fraenkel 1952 zusammen mit dem Biochemiker
Herbert Carter, Vitamin BT (Vergleiche Tenebrio spec.) als Carnitin zu isolieren
und identifizieren. In der Folge gelang es, das allgemeine Vorkommen von Carnitin in Cofaktor-A-
Übertragungsreaktionen (Coenzyme A Transfer reactions) nachzuweisen.
1968 lehrte Fraenkel als Gastprofessor an der Hebräischen Universität
in Jerusalem und an der Universität Paris.
Fraenkels
Nachlass wird heute im Archiv der Universität Illinois verwahrt.
Fraenkel war
Ehrendoktor der Francois Rabelais Universität in Tours (1982) sowie der Hebrew University in Jerusalem (1984). Seit 1968 gehörte er
der Amerikanischen National Academy
of Science an. Zudem war er Fellow
der American Associatio for
the Advancement of Science (1972) und Ehrenmitglied der der Royal Entomological Society (1955) und der Linnean
Society in London (1982).
1928 heiratete Fränkel Rachel Sobol (* 1902 in Malat,
Litauen; † 1984). Aus der Ehe gingen die Söhne Gideon August Fraenkel (* 21. Februar 1932 in Frankfurt) und Dan (* 1937
in London) hervor. Ersterer wurde später Professor für Chemie an der Ohio State
University, letzterer Professor der Mikrobiologie an der Harvard University.
W:
Der statische Sinn
der Medusen, München 1925. (Dissertation)
The Orientation of Animals,
1940.
Bibliography on Insect Nutrition,
1947.
The Orientation of Animals: Kineses, Taxes and Compass
Reactions,
1961. (zusammen mit Donald Livingston Gunn)
(Wikipedia)