Ortenau, Gustav                                       (Arzt)

* 18.5.1864 Fürth                                      +

V: Notar in München

abs. 1882

 

Bruder am WG: Karl, abs. 1881, s.d.

 

(JB WG)

 

 

1882 bis 1887 Medizinstudium in München, dann dort Promotion zum Dr. med.: Ueber das Sphygmomanometer von Basch. München: Wolf 1887, 29 S.

 

(Resch, L. u. Buzas, L.: Verzeichnis der Doktoren und Dissertationen an der Universität Ingolstadt – Landshut – München 1472-1970, Bd. 2, München 1976)

 

 

Gustav Ortenau (* 18. Mai 1864 in Fürth; † 1950 in Florenz) war deutscher Arzt jüdischer Abstammung. Er war Generaloberarzt im Ersten Weltkrieg.

 

Ab 1890 war Ortenau Lungenfacharzt in Bad Reichenhall. Im Jahr 1904 heiratete er die Kunstmalerin und Bildhauerin Adele Peiser-Lasker (1870–1970). Das Ehepaar hatte die Kinder Irma (1905–1956) und Erich (1912–1995).

 

Im Ersten Weltkrieg war Ortenau Kriegsfreiwilliger zuletzt im Range eines Generaloberarztes. Weiters besaß und leitete er ein Lungensanatorium in Nervi bei Genua. Ortenau erfreute sich großer Beliebtheit in Bad Reichenhall und konnte sich daher auch in den ersten Jahren der NS-Herrschaft in Bad Reichenhall halten.

 

Nachdem den jüdischen Ärzten am 1. Oktober 1938 die Approbation entzogen worden war, emigrierte er im Mai 1939 mit seiner Frau nach Basel in die Schweiz. Sohn Erich gelang 1940 die Flucht nach Palästina. Nach Kriegsende lebte das verarmte Paar zunächst bei Irma in Rom, der dort im Untergrund das Überleben gelang. Die Nichte Anita Lasker überlebte Auschwitz als Cellistin im Mädchenorchester. Viele Familienangehörige wurden ermordet. Ab 1950 lebte das Paar in Florenz, wo Ortenau nach kurzer Zeit verstarb. Nachdem Irma 1956 verstarb, zog Adele 1960 zu Erich ins Pasinger Haus der Tochter. Sie malte noch hundertjährig trotz Sehbehinderung. Die Ärztin und Psychotherapeutin Irma Ortenau war bereits 1947 nach München zurückgekehrt.

 

Ortenau erhielt im Ersten Weltkrieg hohe Auszeichnungen. In Bad Reichenhall ist ihm der Ortenau-Park gewidmet.

 

Erich Ortenau stiftete dem Israel Museum in Jerusalem das Deutsche Zimmer u. a. mit dem Schreibtisch Heinrich Heines.

 

(Wikipedia)

 

 

Heinrich Heines Schreibtisch (Auszug):

 

Um den nächsten Besitzer dieses Schreibtischs zu nennen, beginnen wir mit dem 21. Juni 1846, da schrieb Heine – gequält von Lähmungsattacken und Verzweiflung – seinem Pariser Arzt und Vertrauten Leopold Wertheim: „Ich litt ... an einem schrecklichen Echauffement.“ Dr. Wertheim, Gefährte im Exil, scheint eine wohl tuende Wirkung auf den schwer kranken Dichter gehabt zu haben. So begleitete er Heine als Arzt und Freund bis zum Tod. Ob er den Schreibtisch geerbt, gekauft oder als Ausgleich für offenstehende Rechnungen erhalten hat, wissen wir nicht. Jedenfalls hat er ihn seinem Großneffen und Arzt-Kollegen Gustav Ortenau in Bad Reichenhall vermacht, wo er, umwickelt und angefüllt mit Handtüchern, bald nach Wertheims Tod 1890 eintraf.


Zum 70. Geburtstag des beliebten Lungendoktors schrieb das „Reichenhaller Tagblatt“ 1934: „Mögen dem verdienten Arzt und Menschenfreund noch lange Jahre seiner segensreichen Tätigkeit vergönnt sein“. 1934?! – Ortenau war Jude! Vier Jahre später entzog ihm wie allen jüdischen Ärzten und Ärztinnen ein NS-Gesetz die Approbation. An Heines Schreibtisch vergrub sich der alte Sanitätsrat ganz in die Übersetzung von Dantes „Göttlicher Komödie“, hoffte mit den Seinen, in der Nische der örtlichen Zuneigung ausharren, überleben zu können ... Wirklich mussten fürs Scheibeneinschmeißen in der Pogromnacht 1938 die ansässigen Parteifanatiker auswärtige Burschen engagieren. Der Glaser wollte dann fürs Reparieren kein Geld. Fast wäre diese Nische zur Falle geworden. Man entkam.


Der Sohn Erich kämpfte in der Jewish Brigade auf Seiten der Alliierten. 1980 holte er Heines Schreibtisch nach Deutschland zurück, anstandslos hatten die Amerikaner die Restaurierung bezahlt. Wiedervereint mit den anderen Familienstücken – die hatte ein Reichenhaller Spediteur durch das 1000-jährige Reich gerettet – konnte sich doch nichts mehr fügen zu einem vertrauten lebendigen Bild. Die Ortenaus entschlossen sich zu einer Stiftung: die Erinnerungen sollten einen Raum behalten. Seit 1985 erzählt in Jerusalems Israel Museum der „Ortenau Room“ mit „Heines desk“ von einer langen deutsch-jüdischen Geschichte – Bild einer beseitigten Welt. Das Zimmer erinnere ihn, sagte bei der Einweihung der damalige Jerusalemer Bürgermeister Teddy Kollek „an längst versunkene Laute, Gerüche, Geschmäcke.“ Heinrich Heine: Es war ein Traum ...

 

(Bayerischer Rundfunk 2004; http://www.br-online.de/wissen-bildung/kalenderblatt/druckversion/2004/prkb20040621.html)