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Quelle:    Felix Joseph Lipowsky: Geschichte der Schulen in Bayern. München 1825, S. 274 ff.)



Schul- und Zuchtordnung 1682 für Teutsche und Lateinische Schulmeister und Kinder im Chur-Fürstenthum Bayern
 
 

Schulordnung

1.

Die Schulmeister sollen ihre unterhabenden Kinder zuerst zu aller christlichen Zucht, Ehrbarkeit und Gottesfurcht mit allem Fleiße anhalten.
 


2.

Da Worte bewegen, Beispiele aber anziehen, so sollen die Schulmeister, dann die Schulhalter, oder Jungmeister sich selbst eines christlichen, ehrbaren und auferbaulichen Lebens befleißigen, und so durch ihr eigenes gutes Beispile kleinen und großen Kindern vorleuchten.
 
 

3.

Die Schulmeister sollen an Sonntagen die Kinder persönlich in die Christenlehren führen, bis zu derselben Ende bei ihnen bleiben, dann auf ihre Handlungen, und wie sie auf die an sie gestellten Fragen antworten, acht haben, damit sie die, welche nicht recht, oder gar nicht antworten konnten, am nächsten Montage hierüber belehren können. Eben so haben sie mit den Kindern dem Gottes-Dienste, der heiligen Messe nämlich, an Sonn- und Feiertägen beizuwohnen.
 
 

4.

Das an diesen Festtägen hier und dort übliche Spielen und Herumlaufen der Kinder auf den Strassen und Gassen, ihr Lärmen und Schreien ist nicht zu gedulden, sondern mit Ernste abzustellen. Die Kinder gehören in´s Haus, unter Aufsicht, sonst verdirbt eines das andere, sie werden pöbelhaft, roh und wild. Um indessen denselben frische Luft, und eine der Gesundheit entsprechende Bewegung zu verschaffen, sollen sie von Zeit zu Zeit unter Aufsicht der Schulmeister in die Grün, oder wie man es an andern Oertern nennt, Virgatum, geführt werden, wo sie unter sich spielen, jedoch mit Anstand, und ohne schädliche Erhitzung, und Wagestücke vergnügen, auch mässig essen und trinken mögen.
 
 

5

Daß den Katechismus die Kinder wohl und gut lernen, und nicht nur im Gedächtniß behalten, sondern auch verstehen, hierauf ist genau und strenge zu halten, auch ist es gut, wenn sie die in den kleinen Kinder-Lehr-Büchelchen enthaltenen kurzen Sentenzen, und moralischen Sprüche memoriren, und auf Befragen in der Schule recitiren.
 
 

6.

Untugenden, Unartigkeiten, pöbelhaftes Betragen, Grimmassen, Lügen, Schimpfen, Muthwille, Unfolgsamkeit, Schwätzereien, Schimpfnamen geben, das sogenannte Täuscheln und Mäuscheln, Schwören, Streiten, Zanken, Rauffen, dann der Umgang mit liederlichen, wohl gar verrufenen Kindern und erwachsenen Leuten usw. ist den Kindern nicht zu gestatten, und zeitig abzugewöhen, daher sich die Schulmeister dießfalls mit der Kinder Aeltern, Pfarrern, oder Beichtvätern nach Umständen zu benehmen haben, damit solche Unfuge beseitiget, und abgestellt werden.
 
 

7.

Die Gemeinschaft der Kinder beiderlei Geschlechts ist Nirgends zu gestatten.
 
 

8.

Bescheidenheit und Geduld sind zwei Haupteigenheiten bei einem Schulmeister in Bildung und Erziehung der Jugend. Fehlt ein Kind, so muß er dasselbe zuerst des Fehlers halber belehren, dann zu ermahnen, und warnen, und endlich, wenn dieses fruchtlos, erst bestrafen, hierbei aber gelindere Strafen immer den schwereren vorziehen, also stuffenweise verfahren. Verboten ist aber auf jeden Falle den Schulmeistern Kinder, und wenn auch schon erwachsene, auf den Kopf, oder den Rücken zu schlagen, ihnen Haare auszurauffen, oder sie mit Schimpf-Namen (die man bei Kindern nicht geduldet) zu belegen. Die Ruthe ist das geeignete Strafinstrument, und selbst die soll selten, und da mit Bescheidenheit, aber nur vom Schul- oder Jungmeister selbst gegen die Kinder gebraucht werden. Wird ein Mädchen gestraft, so hat des Schulmeisters Weib die Strafe zu vollziehen. Uebrigens ist hier, so wie überall auf Sittsamkeit zu halten, und die Geschämigkeit, als ein köstliches Kleinod zur Erhaltung der Unschuld des Kindes, nicht zu verletzen, und zu entfernen.
 


9.

Ohne Vorwissen der Schul-Hern, oder des Orts-Pfarrers soll kein fremdes Kind in eine Schule aufgenommen werden.
 


10.

In den Städten und Märkten soll jeder Schullehrer mit jedem Quatember ein ordentliches Verzeichniß aller seiner Schulkinder, worinn ihre Tauf- und Familien-Namen, ihre Aeltern usw. enthalten sind, den Schulherrn, auf dem Lande aber den Pfarrern übergeben, auch hierinn anführen, wie jedes Kind im Christenthume unterrichtet, wie gut gesittet, und fleißig seye, dann welche Fortschritte gemacht habe. Es ist daher auch den Aeltern, und noch weniger den Kindern gestattet, unter dem Quatember-Ziel einen Schulmeister zu verlassen, und zu den andern in die Schule zu gehen, bei Strafe der Aeltern und des Schulmeisters, welcher ein solch wanderndes Schulkind aufgenommen hat.
 


11.

Jede Schule, die Vormittags um 7 Uhr anfängt, und um 10 Uhr geendet ist, Nachmittags aber von 1 bis 4 Uhr dauert, hat mit einem der Schulordnung beigedruckten Gebethe zu beginnen, und ist mit einem solchen zu beschlüssen.
 


12.

Obst, oder sonst Naschereien in die Schule mitzubringen, und zu genüßen, ist nicht zu gedulden.
 


13.

Die Schul- und Jungmeister haben lediglich ihrer Pflicht zu genügen und mit ihrem Berufe, nicht aber mit Nebendingen, sich zu beschäftigen, um so einen Nebenverdienst zu erhalten, indem sie ihre angewiesenen Gehalte und Emolumente, dann alle Quartal von den vermögenden Kindern das vorgeschreibene Schulgeld beziehen.

Wenn in den untern Klasen die Kinder wohl buchstabiren und lesen können, dann soll man mit ihnen erst zum Schreiben übergehen, wobei man ihnen eine deutliche, nicht zu kleine, sondern etwas kräftigere Curent-Schrift angewöhnen, und wenn sie diese wohl gelernt haben, sie erst in der Kanzlei- und Frakturschrift unterweisen solle. Beim Rechnen hat der Schulmeister die Kinder anfangs, gleichsam spielend, mit leichten, ihren Verstandskräften faßlichen Aufgaben zu beschäftigen, und dann erst zu schwereren zu schreiten. Hält hier und da es bei einem Kinde schwer, und vermag dasselbe die Rechnung nicht gleich zu fassen, so belehre man mit Geduld, versuche eine andere Methode, verdeutliche, erleichtere, und gebe acht, ob das Kind noch nicht reif genug zum denken seye, einen harten Kopf habe, oder ob es zu leichtsinnig, wohl gar faul seye, und nicht aufmerke.
 
 

14.

Schlägt eine volle Stunde die Uhr während der Schulzeit, so ist der englische Gruß laut von den Kindern zu bethen.
 


15.

Verlassen die Kinder die Schule, so hat der Meister acht zu geben, daß sie still, ruhig und sittsam sich fortbegeben, auch geraden Weges nach Hause gehen.
 
 

16.

Keine Winkel-Schulen sind zu gedulden, auch soll jeder Schul- oder Jung-Meister vor seiner Anstellung gehörig geprüft werden, und sich über seinen christlich und gutgesitteten Lebenswandel genügend ausweisen, wonach er auch das katholische Glaubensbekenntnis abzulegen hat.
 
 

17.

Alle Quatember ist den Kindern in den Schulen die Zucht-Ordnung vorzulesen und zu erkären, damit sie sich hiernach zu achten wissen.

Endlich
 
 

18.

hat ein Jugendmeister nur bei jener Schule zu bestehen, wo der Schüler Zahl zu groß ist, und von einem Manne nicht zu übersehen und besorgt werden kann.
 
 

Zuchtordnung
 

1.

Sobald am frühen Morgen das Kind aus dem Schalfe erwacht, soll sich dasselbe mit dem heiligen Kreuze bezeichnen, sein Morengebeth sagen, sich seinem heiligen Schutz-Engel empfehlen, dann aufstehen, sich ehrbar ankleiden und reinlich waschen.
 


2.

In der Kirche sollen die Kinder andächtig ihrem Gebethe obliegen, ruhig und sittsam sich verhalten, und nicht von einem Altar zu den andern laufen, noch umher gehen. Während der Predigt sollen sie aufmerksam zuhören, und sich die Lehren merken. Mit Singen lernt man das Bethen nicht, und so haben nur die Chorschüler auf dem Musikchore sich damit abzugeben.
 


3.

In die Schule sollen die Kinder ruhig wandern, sich nicht unterwegs aufhalten, oder schwätzen, auch gegen Jedermann sich höflich betragen. Beim Eintritte in die Schule haben sie den Schulmeister zu grüßen, und dann in der Schule aufmerksam und ruhig sich zu betragen. Ist die Schule zu Ende, so haben sie vom Schulmeister Abschied zu nehmen, und dann ebenfalls ruhig nach Hause sich zu begeben.
 


4.

Zu Hause sollen die Kinder sich gesittet und höflich benehmen, nicht mit Lug und Trug abgeben, nach dem Gebothe Gottes gegen ihre Aeltern gehorsam und ehrerbietig sich betragen, bei Tische haben sie nicht zu schreien, und zu lärmen, dann nicht mit Speisen und Getränken sich zu überladen, auch, wenn sie, besonders im Sommer, oder sonst von einer starken Bewegung übershitzt sind, nicht gleich zu trinken, sondern ehevor auszuruhen, damit sie nicht erkranken, wohl gar den Tod sich zuziehen.
 
 

5.

Ohne Vorwissen des Schulmeisters darf kein Kind von der Schule wegbleiben.
 
 

6.

Gleich ihren Aeltern sollen Kinder ihren Lehrer schätzen, ehren, und sich dankbar, und gehorsam ihm erzeigen, daher sie
 
 

7.

eben so die verdiente Züchtigung, oder Strafe von ihm anzunehmen und zu erleiden haben, indem sie zu ihrem Beßten, zu ihrer Besserung verhänget wird.
 


8.

Wird das allerheiligste Sakrament des Altars auf der Gasse getragen, sohaben die Kinder sich sogleich niederzuknien, an das Herz zu klopfen, und demselben die schuldigste Ehrerbietung zu bezeigen.
 
 

9.

Wenn die Schule geendet ist, oder wenn ein Erhohlungs-Tag eintritt, so haben die Knaben nachzulernen, und dann im Hause zu arbeiten, die Mädchen aber zu spinnen, zu nähen etc., und sonst ihrer Mutter im Hauswesen beizustehen, dann so sich an Arbeit und Häuslichkeit frühezeitig zu gewöhnen. Anbei haben sie sich gegen ihre Verwandte anständig, gegen das Hausgesinde menschenfreundlich, und gegen die Thiere gut, am wenigsten aber grausam zu betragen, da sonst ihre Herzen nur verhärtet werden, und ebendaher die heilige Schrift sagt: der Gerechte erbarmet sich seines Viehes.
 
 

10.

Vor dem Schlafengehen haben die Kinder ihren Aeltern und sonst Anwesenden eine gute Nacht zu wünschen, ihr Abendgebeth zu verrichten, sittsam sich auszukleiden, und dann zur Ruhe zu begeben.



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