Schul- und
Zuchtordnung 1682 für Teutsche und Lateinische Schulmeister und Kinder
im Chur-Fürstenthum Bayern
Schulordnung
1.
Die Schulmeister sollen ihre unterhabenden Kinder
zuerst zu aller christlichen Zucht, Ehrbarkeit und Gottesfurcht mit allem
Fleiße anhalten.
2.
Da Worte bewegen, Beispiele aber anziehen, so sollen
die Schulmeister, dann die Schulhalter, oder Jungmeister sich selbst eines
christlichen, ehrbaren und auferbaulichen Lebens befleißigen, und
so durch ihr eigenes gutes Beispile kleinen und großen Kindern vorleuchten.
3.
Die Schulmeister sollen an Sonntagen die Kinder
persönlich in die Christenlehren führen, bis zu derselben Ende
bei ihnen bleiben, dann auf ihre Handlungen, und wie sie auf die an sie
gestellten Fragen antworten, acht haben, damit sie die, welche nicht recht,
oder gar nicht antworten konnten, am nächsten Montage hierüber
belehren können. Eben so haben sie mit den Kindern dem Gottes-Dienste,
der heiligen Messe nämlich, an Sonn- und Feiertägen beizuwohnen.
4.
Das an diesen Festtägen hier und dort übliche
Spielen und Herumlaufen der Kinder auf den Strassen und Gassen, ihr Lärmen
und Schreien ist nicht zu gedulden, sondern mit Ernste abzustellen. Die
Kinder gehören in´s Haus, unter Aufsicht, sonst verdirbt eines
das andere, sie werden pöbelhaft, roh und wild. Um indessen denselben
frische Luft, und eine der Gesundheit entsprechende Bewegung zu verschaffen,
sollen sie von Zeit zu Zeit unter Aufsicht der Schulmeister in die Grün,
oder wie man es an andern Oertern nennt, Virgatum, geführt werden,
wo sie unter sich spielen, jedoch mit Anstand, und ohne schädliche
Erhitzung, und Wagestücke vergnügen, auch mässig essen und
trinken mögen.
5
Daß den Katechismus die Kinder wohl und gut
lernen, und nicht nur im Gedächtniß behalten, sondern auch verstehen,
hierauf ist genau und strenge zu halten, auch ist es gut, wenn sie die
in den kleinen Kinder-Lehr-Büchelchen enthaltenen kurzen Sentenzen,
und moralischen Sprüche memoriren, und auf Befragen in der Schule
recitiren.
6.
Untugenden, Unartigkeiten, pöbelhaftes Betragen,
Grimmassen, Lügen, Schimpfen, Muthwille, Unfolgsamkeit, Schwätzereien,
Schimpfnamen geben, das sogenannte Täuscheln und Mäuscheln, Schwören,
Streiten, Zanken, Rauffen, dann der Umgang mit liederlichen, wohl gar verrufenen
Kindern und erwachsenen Leuten usw. ist den Kindern nicht zu gestatten,
und zeitig abzugewöhen, daher sich die Schulmeister dießfalls
mit der Kinder Aeltern, Pfarrern, oder Beichtvätern nach Umständen
zu benehmen haben, damit solche Unfuge beseitiget, und abgestellt werden.
7.
Die Gemeinschaft der Kinder beiderlei Geschlechts
ist Nirgends zu gestatten.
8.
Bescheidenheit und Geduld sind zwei Haupteigenheiten
bei einem Schulmeister in Bildung und Erziehung der Jugend. Fehlt ein Kind,
so muß er dasselbe zuerst des Fehlers halber belehren, dann zu ermahnen,
und warnen, und endlich, wenn dieses fruchtlos, erst bestrafen, hierbei
aber gelindere Strafen immer den schwereren vorziehen, also stuffenweise
verfahren. Verboten ist aber auf jeden Falle den Schulmeistern Kinder,
und wenn auch schon erwachsene, auf den Kopf, oder den Rücken zu schlagen,
ihnen Haare auszurauffen, oder sie mit Schimpf-Namen (die man bei Kindern
nicht geduldet) zu belegen. Die Ruthe ist das geeignete Strafinstrument,
und selbst die soll selten, und da mit Bescheidenheit, aber nur vom Schul-
oder Jungmeister selbst gegen die Kinder gebraucht werden. Wird ein Mädchen
gestraft, so hat des Schulmeisters Weib die Strafe zu vollziehen. Uebrigens
ist hier, so wie überall auf Sittsamkeit zu halten, und die Geschämigkeit,
als ein köstliches Kleinod zur Erhaltung der Unschuld des Kindes,
nicht zu verletzen, und zu entfernen.
9.
Ohne Vorwissen der Schul-Hern, oder des Orts-Pfarrers
soll kein fremdes Kind in eine Schule aufgenommen werden.
10.
In den Städten und Märkten soll jeder
Schullehrer mit jedem Quatember ein ordentliches Verzeichniß aller
seiner Schulkinder, worinn ihre Tauf- und Familien-Namen, ihre Aeltern
usw. enthalten sind, den Schulherrn, auf dem Lande aber den Pfarrern übergeben,
auch hierinn anführen, wie jedes Kind im Christenthume unterrichtet,
wie gut gesittet, und fleißig seye, dann welche Fortschritte gemacht
habe. Es ist daher auch den Aeltern, und noch weniger den Kindern gestattet,
unter dem Quatember-Ziel einen Schulmeister zu verlassen, und zu den andern
in die Schule zu gehen, bei Strafe der Aeltern und des Schulmeisters, welcher
ein solch wanderndes Schulkind aufgenommen hat.
11.
Jede Schule, die Vormittags um 7 Uhr anfängt,
und um 10 Uhr geendet ist, Nachmittags aber von 1 bis 4 Uhr dauert, hat
mit einem der Schulordnung beigedruckten Gebethe zu beginnen, und ist mit
einem solchen zu beschlüssen.
12.
Obst, oder sonst Naschereien in die Schule mitzubringen,
und zu genüßen, ist nicht zu gedulden.
13.
Die Schul- und Jungmeister haben lediglich ihrer Pflicht zu genügen und mit ihrem Berufe, nicht aber mit Nebendingen, sich zu beschäftigen, um so einen Nebenverdienst zu erhalten, indem sie ihre angewiesenen Gehalte und Emolumente, dann alle Quartal von den vermögenden Kindern das vorgeschreibene Schulgeld beziehen.
Wenn in den untern Klasen die Kinder wohl buchstabiren
und lesen können, dann soll man mit ihnen erst zum Schreiben übergehen,
wobei man ihnen eine deutliche, nicht zu kleine, sondern etwas kräftigere
Curent-Schrift angewöhnen, und wenn sie diese wohl gelernt haben,
sie erst in der Kanzlei- und Frakturschrift unterweisen solle. Beim Rechnen
hat der Schulmeister die Kinder anfangs, gleichsam spielend, mit leichten,
ihren Verstandskräften faßlichen Aufgaben zu beschäftigen,
und dann erst zu schwereren zu schreiten. Hält hier und da es bei
einem Kinde schwer, und vermag dasselbe die Rechnung nicht gleich zu fassen,
so belehre man mit Geduld, versuche eine andere Methode, verdeutliche,
erleichtere, und gebe acht, ob das Kind noch nicht reif genug zum denken
seye, einen harten Kopf habe, oder ob es zu leichtsinnig, wohl gar faul
seye, und nicht aufmerke.
14.
Schlägt eine volle Stunde die Uhr während
der Schulzeit, so ist der englische Gruß laut von den Kindern zu
bethen.
15.
Verlassen die Kinder die Schule, so hat der Meister
acht zu geben, daß sie still, ruhig und sittsam sich fortbegeben,
auch geraden Weges nach Hause gehen.
16.
Keine Winkel-Schulen sind zu gedulden, auch soll
jeder Schul- oder Jung-Meister vor seiner Anstellung gehörig geprüft
werden, und sich über seinen christlich und gutgesitteten Lebenswandel
genügend ausweisen, wonach er auch das katholische Glaubensbekenntnis
abzulegen hat.
17.
Alle Quatember ist den Kindern in den Schulen die Zucht-Ordnung vorzulesen und zu erkären, damit sie sich hiernach zu achten wissen.
Endlich
18.
hat ein Jugendmeister nur bei jener Schule zu bestehen,
wo der Schüler Zahl zu groß ist, und von einem Manne nicht zu
übersehen und besorgt werden kann.
Zuchtordnung
1.
Sobald am frühen Morgen das Kind aus dem Schalfe
erwacht, soll sich dasselbe mit dem heiligen Kreuze bezeichnen, sein Morengebeth
sagen, sich seinem heiligen Schutz-Engel empfehlen, dann aufstehen, sich
ehrbar ankleiden und reinlich waschen.
2.
In der Kirche sollen die Kinder andächtig
ihrem Gebethe obliegen, ruhig und sittsam sich verhalten, und nicht von
einem Altar zu den andern laufen, noch umher gehen. Während der Predigt
sollen sie aufmerksam zuhören, und sich die Lehren merken. Mit Singen
lernt man das Bethen nicht, und so haben nur die Chorschüler auf dem
Musikchore sich damit abzugeben.
3.
In die Schule sollen die Kinder ruhig wandern,
sich nicht unterwegs aufhalten, oder schwätzen, auch gegen Jedermann
sich höflich betragen. Beim Eintritte in die Schule haben sie den
Schulmeister zu grüßen, und dann in der Schule aufmerksam und
ruhig sich zu betragen. Ist die Schule zu Ende, so haben sie vom Schulmeister
Abschied zu nehmen, und dann ebenfalls ruhig nach Hause sich zu begeben.
4.
Zu Hause sollen die Kinder sich gesittet und höflich
benehmen, nicht mit Lug und Trug abgeben, nach dem Gebothe Gottes gegen
ihre Aeltern gehorsam und ehrerbietig sich betragen, bei Tische haben sie
nicht zu schreien, und zu lärmen, dann nicht mit Speisen und Getränken
sich zu überladen, auch, wenn sie, besonders im Sommer, oder sonst
von einer starken Bewegung übershitzt sind, nicht gleich zu trinken,
sondern ehevor auszuruhen, damit sie nicht erkranken, wohl gar den Tod
sich zuziehen.
5.
Ohne Vorwissen des Schulmeisters darf kein Kind
von der Schule wegbleiben.
6.
Gleich ihren Aeltern sollen Kinder ihren Lehrer
schätzen, ehren, und sich dankbar, und gehorsam ihm erzeigen, daher
sie
7.
eben so die verdiente Züchtigung, oder Strafe
von ihm anzunehmen und zu erleiden haben, indem sie zu ihrem Beßten,
zu ihrer Besserung verhänget wird.
8.
Wird das allerheiligste Sakrament des Altars auf
der Gasse getragen, sohaben die Kinder sich sogleich niederzuknien, an
das Herz zu klopfen, und demselben die schuldigste Ehrerbietung zu bezeigen.
9.
Wenn die Schule geendet ist, oder wenn ein Erhohlungs-Tag
eintritt, so haben die Knaben nachzulernen, und dann im Hause zu arbeiten,
die Mädchen aber zu spinnen, zu nähen etc., und sonst ihrer Mutter
im Hauswesen beizustehen, dann so sich an Arbeit und Häuslichkeit
frühezeitig zu gewöhnen. Anbei haben sie sich gegen ihre Verwandte
anständig, gegen das Hausgesinde menschenfreundlich, und gegen die
Thiere gut, am wenigsten aber grausam zu betragen, da sonst ihre Herzen
nur verhärtet werden, und ebendaher die heilige Schrift sagt: der
Gerechte erbarmet sich seines Viehes.
10.
Vor dem Schlafengehen haben die Kinder ihren Aeltern und sonst Anwesenden eine gute Nacht zu wünschen, ihr Abendgebeth zu verrichten, sittsam sich auszukleiden, und dann zur Ruhe zu begeben.