für die Professoren an den
königl.Gymnasien 1819
§ 1
Die Rektoren sind von der Haltung der Studenten-Messen
befreit, jedoch mit der ausdrücklichen Bedingung, daß sie sich
während derselben an einem hiezu schicklichen Orte einfinden, um alle
Gegenwärtigkeiten zu übersehen, und so zur gebührenden Ordnung
und Erbauung das Möglichste beyzutragen.
§ 2
Von der mit jeder Woche unter sämmtlichen
Professoren abzuwechselnden Aufsicht vor, und an Schultagen auch nach den
Gottesdiensten, dann von Vorlesung der eingeführten Gebethe und Betrachtungen
während der Messe ist kein Professor, welchen Standes er immer seyn
mag, so lange seine Gesundheit und sein Organ Kräfte dazu hat, mehr
ausgenommen.
§ 3
Eben dieser wöchentliche Aufseher und Vorbether
soll sich auch immer schon, alsbald das erste Zeichen zum Gottesdienste,
oder zur Schule gegeben wird, in dem Schulhause einfinden, um daselbst
und sodann auch im Hin- und Zurückgehen in die Kirche und von derselben,
die geziemende Stille und Ordnung zu erhalten.
§ 4
In den Zwischenzeiten von der Eröffnung der
Schule am Morgen bis zum Gottesdienste, oder umgekehrt; und Nachmittags
vom ersten Zeichen bis zur Ankunft des Professors soll in jeder Klasse
ein hiezu von seinem Lehrer bestimmter Schüler aus einem zweckmäßigen
Buche vorlesen.
§ 5
Sobald an Schultagen die Messe geendiget und Nachmittags
das letzte Zeichen gegeben ist, soll jeder Professor ohne geringsten Zeitverlust
sich sogleich in seinem Hörsaale einfinden, und den Unterricht beginnen;
weil bekanntlich sonst in diesen müßigen Zwischenpausen von
den Schülern theils in - theils ausser dem Schulhause mancher Unfug
getrieben wird, und tägliche Versäumnisse auch nur von einigen
Minuten im ganzen Schuljahre doch einen sehr beträchtlichen Verlust
von mehreren Schulzeiten auswerfen.
§ 6
Über die Erfüllung aller den Professoren
auferlegten Verbindlichkeiten werden von nun an vorzüglich die Rektoren,
welchen jeder Professor ohne Ausnahme in Kirchen- und Schul-Polizey, dann
Lehramts-Angelegenheiten unmittelbar untergeordnet ist, verantwortlich
gemacht. Sie haben also auch jedes Versehen, oder saumselige Betragen von
Amtswegen zu rügen, und nach Verhältniß der höchsten
Stelle anzuzeigen.
§ 7
Sämmtlichen Schulobern wird neuerdings aufgetragen,
bey Aufnahme der Schüler, besonders in den untersten Schulen mit aller
Strenge und ohne Rücksicht zu verfahren. (Vergl. höchst.Resc.
v. 31.Aug.1813 und 12.Oct.1818)
§ 8
Da der eigentliche Zweck aller öffentlichen
Lehranstalten nicht blos im Unterrichte, sondern auch in Erziehung
besteht, insoweit diese durch Schulmittel erreichbar ist, so wird ein würdiger
Schulmann eine eben so gewissenhafte, immer thätige Aufmerksamkeit
auf die Sitten und das äußere Betragen seiner Schüler,
als auf derselben Unterricht und scientivischen Fortgang verwenden.
§ 9
In dieser Hinsicht hat sich jeder Professor mit
den einschlägigen Verordnungen und dem ganzen Geiste der vaterländischen
Schul-Anstalten gehörig bekannt zu machen, um über die Aufrechterhaltung
und Befolgung jener zu wachen, und zur Förderung des Guten mitzuwirken.
Bescheidene Vorstellungen über entdeckte Mängel an den bestehenden
Schul-Gesetzen werden nie unbenützt gelassen; aber eigenmächtige
Abweichung von einer allgemeinen Vorschrift ist unerlaubt, und gegen das
unerläßliche Princip der Einheit bey jedem Erziehungs-Institute.
§ 10
Hat ein Professor von dem gesetzwidrigen Betragen
eines Studenten, wenn er auch sein Schüler nicht ist, Nachricht auf
irgendeine Art erhalten, so mache er ungesäumt dem eigentlichen Lehrer
oder Studienrektor mündliche oder schriftliche Anzeige.
§ 11
Ganz vorzüglich soll sich aber jeder Professor
die besondere Aufsicht über das sittliche und ästetische Betragen
der ihm zugeteilten Klasse angelegen seyn lassen, und den Jünglingen
frühzeitig gute Grundsätze, einen hohen Begriff von ihrem Berufe,
feines Ehrgefühl, Liebe zur Ordnung, Reinlichkeit und gebildeten Umgang,
besonders aber Geschmack an solider klassischer Lektüre, dagegen aber
Verachtung gegen Stutzerey und Modesucht, und eine ernstliche Abneigung
gegen lärmende Freuden, rohe Gesellschaften und gewöhnliche Wirths-
und Kaffee-Häuser-Belustigungen beyzubringen sich beeifern.
§ 12
Zur Erreichung dieses schönen Zweckes soll
ein thätiger Schulmann jede Gelegenheit benützen, seine wichtigeren
Bemerkungen immer in ein ordentliches Tagbuch eintragen, mache Schüler
zu sich auf´s Zimmer oder zu einem Spaziergange einladen, um denselben
für ihr Bedürfniß individuellere Lehre ertheilen, und manches
Gebrechen, das er bemerkte, daselbst im Stillen und mit Schonung des jugendlichen
Zartgefühls nützlicher rügen zu können, oder um manchen
Jüngling genauer kennen zu lernen.
§ 13
Jedem Professor steht die Macht zu, um Ruhe, Zucht,
Ordnung, Reinlichkeit, Subordination und die gebührende Achtung vor
seinem öffentlichen Amte in dem Hörsaale, wo er Unterricht ertheilt,
zu erhalten, seine Schüler, die sich dagegen verfehlen, öffentlich,
und nach Verhältniß der Umstände auch mit Haus- oder Zimmer-Arrest,
oder gar (jedoch mit Vorwissen des Rektors) mit dem Karzer zu bestrafen,
oder demselben den Besuch seiner Vorlesungen bis zur gehörigen Genugthuung
zu verbieten, allenfalls auch den ersten schriftlichen Antrag zu Dimission
oder Exklusion eines ausgearteten Schülers zu machen. Wirkliche Entlassungen
und Exklusionen sind der höchsten Stelle vorbehalten, und die schriftlichen
Vorschläge dahin einzusenden (Vergl. Amts-Instruktion für die
Rektorate). Schülern, die mit Karzer- oder Zimmer-Arrest bestraft
werden, soll der Rektor oder ein Professor durch den Pedell ein verhältnismäßiges
Thema nebst den erforderlichen Schreibmaterialien zur schriftlichen Ausarbeitung
zustellen lassen. Diese hat der Pedell von dem Bestraften gleich bey seiner
Entlassung aus dem Arreste abzufordern, und dem Rektor einzuhändigen.
Züchtigungen mit Schlägen sind in keinem Falle erlaubt.
§ 14
Dringend werden alle Professoren aufgefordert,
gegen die Leib und Seele verderbende Onanie mit vereinten Kräften
zu wachen, ihren Schülern frühzeitig Achtung vor ihrem Körper,
und einen hohen Begriff von dem unschätzbaren Werthe der Gesundheit,
und eines gutgewachsenen kraftvollen Körpers beyzubringen; den Verführer
aber augenblicklich zur schnellsten Entfernung anzuzeigen, die Verführten,
wenn sie sonst gute Jünglinge sind, als unglückliche Menschen
mit kluger, öffentlicher Schonung zu behandlen, damit sie vertraulich
gemacht, ihren Seelen-Zustand ohne Zurückhaltung eröffnen, und
den gut gemeinten Rath des menschenfreundlichen Lehrers auf ihrer fernern
gefahrvollen Lebensbahn treulicher befolgen.
§ 15
In Betreff des Lehramtes ist noch nachzutragen, daß jeder Professor sein vorzüglichstes Augenmerk immer dahin richten soll, den Denkkräften seiner Schüler nicht blos Extension, sondern auch mehr Intension zu geben. Dazu tragen nebst dem mündlichen Vortrage des Lehrers auch öfter in jedem Monate zu haltende Prüfungen bey, in welchen die Schüler Gelegenheit haben, sowohl über das Gehörte, als auch Selbstgedachte sich mündlich und schriftlich zu zeigen. Dadurch lernt jeder Lehrer seine Schüler kennen, kann ihren Fortgang sowohl im Allgemeinen als in individuellen Rücksichten leiten, und am Ende des Jahres jedem einen doppelten Fortgang in Hinsicht des Wissens und Selbstdenkens anweisen. Über zweifelhafte Sätze mögen die Lehrer immer erst die wichtigern Gründe und Gegengründe aufstellen, dann aber der Denkkraft des Schülers freyen Spielraum lassen, und manchmal auch über entschiedene Sätze die Wahrheit selbst zu errathen geben.
Da sich scientivische Lehrgegenstände in Schulen
unmöglich ganz erschöpfen lassen, und jeder Unterricht blos eine
Einleitung für das große Studium des ganzen künftigen Lebens
ist, so hat jeder Professor immer das Wichtigste vor dem minder Wichtigen
sorgfältig auszuscheiden, und vorzüglich darauf zu sehen, daß
in seinem Lehrfache die Schüler jedesmal mit desselben Litteratur
und den Quellen, aus welchen sie einst das Weitere holen mögen, gehörig
bekannt werden, und eine vollständige Skizze der ganzen Wissenschaft
nach ihren Elementen und Haupttheilen erhalten, mit stäter Hinsicht
auf das Brauchbare, und in Verbindung des Denkens mit dem Handeln; dagegen
ist auf blos hypothetische Spekulationen nur hie und da ein Blick zu werfen.
§ 16
Da bey der Jugend auch der gründlichste Unterricht
insgemein seinen Zweck verfehlt, wenn es ihm an sinnlicher Kraft und Lebhaftigkeit
gebricht, so hat jeder Lehrer auch darauf Rücksicht zu nehmen, und
seine Schüler anzuhalten, daß sie sich in ihren Antworten, Beweisen
und Erklärungen jedesmal bestimmt, deutlich, ordentlich, und mittelst
einer ganz reinen Sprache auszudrücken, frühzeitig gewöhnen,
und in jedem Vortrage die geist- und geschmacklose Monotonie zu vermeiden
suchen.
§ 17
Jeder Lehrer soll über sein Lehrfach die Schüler
mit häuslichen Aufgaben nützlich beschäftigen, sie fleißig
korrigieren, den Faulen die zu nachläßig bearbeiteten Aufsätze
wieder zur Besserung oder mit Strafe zurückgeben, oder manche Fehler
ahnden, und besonders diejenigen, welche dergleichen Aufgaben aus einem
Buche oder von einem Mitschüler abgeschrieben haben, als Betrüger
sammt ihren Nothhelfern nachdrücklich bestrafen. Eben so nützlich
wird es seyn, wenn jeder Lehrer immer, so oft er einen Schüler zur
mündlichen Beantwortung einer Frage, Beweisführung oder Erklärung
auffordert, und derselbe geantwortet hat, sogleich im Angesichte der Schüler
eine Note hierüber zur künftigen Berechnung des jährlichen
Fortgangs in die tägliche Tabelle einträgt.
§ 18
Aus gegründeten Ursachen sollen immer am Ende
eines Monats jedem Schüler andere Nachbarn, und ein anderer Platz
angewiesen werden.
§ 19
Privat-Unterricht seinen eigenen Schülern
gegen Bezahlung oder Geschenke zu ertheilen, ist zur Erhaltung der öffentlichen
Ehre des Schulhauses nachdrücklich untersagt (Vergl. allerh.Verordn.
1813).