Dokument 1: Beschwerde Thierschs vom 1.
Juni 1810
Allerdurchlauchtigster Großmächtigster König!
Allergnädigster König und Herr!
Ewr. Königl. Majestät wollen es allergnädigst geschehen lassen, daß ich Allerhöchst Dero Schutz und Beistand bei einer Reihe von Vorfällen anrufe, welche durch verschiedene Aufreizungen nicht ohne Theilnahme des Director Weiller und des Pedells Thürmer unter meinen Schülern veranlaßt, durch einige unruhige Köpfe unter ihnen, so wie durch das Benehmen des Director sehr verschlimmert und bis dahin gediehen war, daß sie in Meuterei gegen mich als Lehrer ausarteten und die Früchte meiner bisherigen Bemühungen ganz oder zum Theil zu vernichten drohen. - Diese traurigen Vorfälle scheinen um so mehr die allerhöchste Aufmerksamkeit Ew. königl. Majestät zu verdienen, weil sie neue Beweise liefern, mit welchen Gesinnungen von Seiten der Direction die Anstrengungen der Lehrer betrachtet und die Geschäfte geführt werden, und wie da, wo man von oben her das Ansehen der Lehrer nicht zu behaupten weiß, der beßere Geist und die Ordnung der Lehranstalt dem unmittelbaren Verderben entgegengehen.
Als nämlich auf Allerhöchsten Befehl vom vorigen Winter der Religionsunterricht auch in die Classen des Gymnasiums eingeführt wurde, machten es die Umstände nöthig, eine von den mir angewiesenen sechzehn wöchentlichen Lektionen einzuziehen, um für den neuen Lehrgegenstand in meiner Klasse Raum zu gewinnen. Hierdurch in der ohnehin nicht reichlich zugemessenen Zeit für meine Vorträge noch mehr beschränkt, erklärte ich dem Director Weiller mündlich, daß ich entschlossen sey, statt der mir entzogenen Stunde von 11-12 Uhr zur Korrektur schriftlicher Arbeiten einige Stunden zu halten. - Da, wie zu erwarten war, weder gegen den Antrag, noch auch gegen den Monatsbericht, in dem ich den Anfang dieser Stunden meldete, von Seiten des Directorats eine Einwendung erfolgte, so hielt ich von dieser Seite meine Thätigkeit um so mehr gesichert, weil ohnehin wegen Mangel eines besonderen Lehrers der Philosoph. Vorbereitungswissenschaften für diese Klasse, in ihr statt der 24 durch das Normativ festgesetzten Stunden nur 20 gehalten werden, eine Collision aber mir dem Franz. Sprachunterricht nur darum eintrat, weil der Prof. Limoin fortdauernd verlangt, daß seine Schüler wöchentlich zwölf französische Stunden besuchen sollen, und ganz wegfiel, sobald dieser Besuch auf 6 wöchentliche Stunden eingeschränkt wurde. Es fielen aber von meinen neu übernommenen Stunden jede Woche zwey oder eine, je nachdem Stoff zur Beschäftigung vorhanden war, und ich zog zu den Korrekturen noch mehrere kleine Geschäfte in das Gebiet derselben, um den steten Gang der übrigen Lehrvorträge nicht zu unterbrechen. So gab ich hier den Schülern Anleitung, sich selbst Landkarten zu entwerfen, oder beurtheilte die eingelieferten, legte Pläne, Karten, Kupferwerke und merkwürdige Bücher über abgehandelte Gegenstände der Geschichte, Länder- und Völkerkunde vor, ließ die Gedächtnißübungen vornehmen, versäumte Anfangsgründe nachholen und abgebrochene Erklärungen vollenden. Da die Mannigfaltigkeit und Nützlichkeit des Lehrstoffes die Theilnahme so wie die beträchtliche Opfer von Müh' und Zeit, welche das oft lästige Geschäft des fortlaufenden Korrigirens und Anordnens nöthig machte, die Erkenntlichkeit der Schüler in Anspruch zu nehmen berechnet war, so würde ich diese Stunden, wie den Winter über, so auch gegen das Ende des Schuljahres ruhig fortgesetzt haben, wenn nicht in der letzten Zeit sich unter meinen Schülern die Meinung verbreitet hätte, daß sie keineswegs zum Besuch derselben können genöthigt werden. Diese Meinung war vom Director Weiller ausgegangen, der zum Hofmeister des jungen Aretin gesagt hat, es seyen jene Lectionen blos
Privatstunden, die ich gäbe, und ihr Besuch hänge von dem Willen jedes Einzelnen ab. Noch weiter war der Pedell Thürmer in Verbreitung dieser Ansicht gegangen: er hatte gegen mehrere von meinen Schülern geäußert: jene Stunden seyen ganz unnütz und außer der Ordnung, und als sie einst um 11 Uhr zu derselben sich versammelt hatten, war sein Rath gewesen: sie möchten lieber spazieren als in diese Stunden gehen, ohnehin wisse der Director nichts von ihnen, und wenn ich bei meiner Ankunft niemanden im Lehrzimmer gegenwärtig fände, so würd' ich genöthiget seyn, sie aufzugeben, ohne deshalb etwas gegen die Klasse ausrichten zu können. - Durch solche Insinuationen wurden zunächst die Arbeitsscheuen unter meinen Schülern im Besuch der Stunden schwierig; denn sie nahmen an, alle Arbeiten, welche aus den übrigen Lectionen in diese concentrirt waren, seyen durch dieselbe veranlaßt worden. Man beschloß deshalb, den Direktor zu befragen, der sich schon vorläufig gegen mich erklärt hatte, und, damit die Folgen offenbarer Widersezlichkeit gegen den Lehrer nicht einzelne treffen könnten, sollte der für einen schlechten Menschen erklärt und von den übrigen verfolgt werden, der sich von dieser Sache ausschließen würde. - Durch terroristische Maasregeln wurden auch die Beßeren mit in den Handel gezogen und so trat der unerhörte Fall ein, daß eine ganze Klasse vor dem Directorat erschien, um einen Versuch zu wagen, die Aufopferungen, welche ihr Lehrer an Zeit und Mühe zu ihrer schnelleren Bildung gemacht hatte, als eine Last von sich zu werfen. - Ein Unbefangener möchte zweifeln, ob er mehr über die Jünglinge, die solches unternehmen, als über einen Rector, bei dem sie es gegen den Lehrer durchzusezen hofften, in Erstaunen gerathen solle. Wüßte dieser, was zu tun sey, um das Gedeihen der Schule gegen den Unfleiß, und das Ansehen des Lehrers gegen die Widersezlichkeit der Schüler zu behaupten, so würde er sie mit nachdrücklicher Vorhaltung ihres Undanks gegen die Bemühungen ihres Lehrers zur Ruhe gewiesen, oder gegen die Urheber der die Schule entehrenden Maasregel Untersuchung verhängt haben. Statt aber zu tun, wozu Pflicht und Besonnenheit ihn aufforderte, hat er auf ihre Anfrage seine grundlose Erklärung, daß diese Stunden nur Privatstunden seyen, vor den Schülern selbst wiederholt, und während sie ihre Klagen über die Arbeiten in denselben erhoben, auf seiner Seite es bedenklich gefunden und gemeint, daß es etwas zu viel sey, weil man auch auf andere Gegenstände, besonders auf das Französische, Rücksicht nehmen müsse, und sie darauf mit beruhigenden Versicherungen entlaßen. - Mir selbst schrieb er folgenden Brief:
P.P. den 16ten März 1810
"Eben waren die Schüler ihrer Klasse bei mir und sagten mir, daß es ihnen immer weniger möglich werde, den Forderungen zu entsprechen, welche E.M. besonders in Rücksicht der sich immer vermehrenden Schulstunden (den außerordentlichen) an dieselben machen. Ich wünschte darüber nähere Aufklärung zu erhalten, um so mehr, als mir zwischen diesen außerordentlichen Stunden und einigen anderen ordentlichen Collisionen obzuwalten scheinen."
E.M.
Ergebenster Weiller
Höchst betroffen von dem unerwarteten Vorfall ging ich sogleich den Director aufsuchen, um ihm die verlangte Aufklärung zu geben. Ich erinnerte ihn an die Gründe, nach denen jene Stunden so gut verpflichtend seyen, wie die anderen, und bemerkte: daß keine Concurrenz eintrete, als mit dem Französischen, und auch dann nur, wenn man den Schülern anmuthete, wöchentlich 12 franz. Stunden zu besuchen, daß meine Schüler mit Arbeiten keineswegs überhäuft seyen, indem beinah' alle , selbst die Schwächeren, noch außer den vorgeschriebenen fast wöchentlich Hefte von Privatarbeiten einlieferten, und die meisten, von mir blos aufgemuntert, mehrere Bücher des Homer, Xenophon und Cicero freywillig durchgearbeitet hätten, um ihren Privatfleiß zu zeigen, daß ich gerade jetzt Aufwiegelungen in der Klasse von einigen Nachläßigen vermuthe, da an demselben Tage mehrere der Größeren strenge Verweise wegen ihrer Vergeßlichkeit bekommen hätten, und es aus mehreren Gründen nicht für rathsam halte, den Schülern in ihrem Gesuche nachzugeben. Dem Director schien das alles hinlänglich einzuleuchten; dem ungeachtet beharrte er darauf, daß ich mich auf eine Stunde beschränken möchte; und ich schied am Ende, um meiner Seits auf keine Weise zu reizen, mit der Äußerung: ich würde mich so einrichten, daß im Durchschnitt die Woche nicht mehr als etwa 1 Stunde herauskäme. - Dieses that ich um so leichter, als auch den Winter über öfter die eine Stunde ausgeblieben; oder die anderen zu einer halben geworden, im Grunde also nie viel mehr als eine Stunde auf die Woche gefallen war. Keineswegs aber konnte mir in den Sinn kommen, daß ich nun auftreten und meinen Schülern mit Beschämung eröffnen sollte, daß sie durch ihre Beschwerde eine Stunde abgehandelt und künftig nur eine zu besuchen hätten. Ich hielt den Vorfall für abgethan, wenn ich nach einer Erklärung, die meiner Würde als Lehrer gemäß schien, die Sache stillschweigend und allmählig im Verlaufe des Monats auf die angegebene Weise anordnete. Jedoch hatte die Erklärung des Directors in der Klasse selbst die gefährlichsten Gährungen veranlaßt, die auch jetzt wieder durch das thörigte und meine Person entehrende Benehmen des Pedell Thürmer verschlimmert wurden. Dieser hatte auf die Erkundigung der Schüler, was nach ihrer Anfrage im Rectorat geschehen sey, geantwortet, daß er mir ein Billet vom Director überbracht und mündlich hinzugesetzt habe, "ich müßte mich vor dem Rectorat stellen, um mich zu vertheidigen, weil ich von meinen Schülern angeklagt sey." - Durch solche Äußerungen eines niedrigen Subalternen, die mich als Lehrer vor den Schülern auf das empfindlichste compromitierten, und durch die Meinung, daß der Director selbst mit ihnen gegen mich Parthey genommen habe, ward der Geist der Widersezlichkeit und Meuterey unter den Schülern noch mehr angefacht. - Man äußerte bereits, daß man sich verpflichten müße, keine von jenen Stunden mehr zu besuchen. So kam es endlich dahin, daß man den folgenden Tag Unterschriften mit der vorigen Erklärung sammelte: "die anderen würden den als einen schlechten Menschen verfolgen, der noch künftig eine dieser Stunden zu besuchen wagte." - Unbekannt mit dem, was unter den Schülern vorgegangen war, bestieg ich am Donnerstage das Katheder, und erklärte mich über ihr Gesuch um Verminderung der Korrekturstunden und der Arbeiten dahin, daß es rücksichtlich der genannten Stunden beim Alten bleiben würde, ich würde zwey Stunden halten, also eine oder eine halbe, je nachdem Stoff dafür vorhanden wäre, und könnte auch in den Arbeiten um so weniger nachgeben, da bey der geringen Stundenzahl ihnen bis jetzt noch Zeit genug zu so viel Privatarbeiten übrig geblieben sey. Ich fügte in Beziehung auf meine sämmtlichen Maasregeln im allgemeinen hinzu: daß ich an ihnen keinen Strich ändern würde, indem ich noch immer die Erfahrung gemacht, daß die beßeren von meinen Schülern, mir, wenn auch nicht gleich, doch späterhin gewiß gedankt hätten, von mir zu strengerer Thätigkeit und Ernst angehalten worden zu sein. - Als ich diese Erklärung gegeben hatte, haben die Schüler berathschlaget, was nun weiter zu thun sey, und auf den ersten Erfolg vertrauend sich jetzt in einer Deputation zum zweyten Male an den Director gewandt, um ihn von meiner Erklärung zu benachrichtigen und seinen Rath zu erfragen. Obwohl dieser, durch die Unterredung mit mir auf den Stand der Sache aufmerksam gemacht, jetzt wenigstens es hätte fühlen müssen, daß er bey Fortsetzung des vorigen Benehmens offenbar in Partey mit undankbaren und widerspenstigen Schülern trete, und von sich die Meinung veranlaßte, als ob ihm das regere Bestreben in einer Klasse zuwider, und das Gedeihen desselben ein Übel sey, dem man auf alle Weise widerstreiten müße, so schien es ihm doch gerathen, die einmal übernommene Rolle fortzuspielen. Zwar erklärte er jetzt ihnen den Widerspruch mit seinen früheren Äußerungen, daß sie eine Stunde wöchentlich zu besuchen verpflichtet wären. Was aber die andere anbelange, so möchten sie deshalb sich ungeachtet meiner Erklärung nur beruhigen, ich habe ihm versprochen, nur eine zu halten und an dieses Versprechen wolle er mich schon erinnern. So zogen sie sich zurück, und zufrieden, mir eine Stunde durch Hilfe des Rectors abgedrungen und unter dessen Beistand meine Bemühungen für ihr Gedeihen beschränkt zu haben, ließen sie es geschehen, daß das Papier, auf dem sie sich zum Ausbleiben aus beiden Stunden durch Unterschriften verpflichtet hatten, von einem aus ihrer Mitte, genannt Xaver Lobendank, zerrißen wurde. - Nachdem dieses geschehen war, schrieb mir der Director, sich stellend, als ob weder von meiner noch von seiner Seite etwas vorgegangen sey, folgendes Billet:
p.p. den 17ten März 1810
Haben Sie Ihrer Klasse das Resultat unserer gestrigen Unterredung, es künftig wieder bei einer außerordentlichen Wochenstunde bewenden zu lassen, angekündigt?
E.M.
Ergebenster
Weiller.
Weder mit der Gesandtschaft meiner Schüler an den Verfaßer dieser Anfrage, noch mit dem Erfolge derselben im geringsten bekannt, hatte ich blos Gelegenheit, über das Ansinnen zu Erstaunen, daß ich eine solche Erklärung den Schülern geben, und dadurch im Sinne des Pedell Thürmer bekräftigen sollte, ich sey beim Director nicht nur angeklagt, sondern auch verurtheilt worden. Deshalb verfügte ich mich von neuem auf das Directorat, und suchte noch einmal dem Director deutlich zu machen, daß eine solche Erklärung mich und die Sache compromittiren würde, daß höchstens davon die Rede seyn könne, die Stunden stillschweigend auf eine zu beschränken, was um so weniger auffallen würde, weil auch vorher im Durchschnitt nicht viel mehrere wären gehalten worden, daß ich demnach vorläufig der Classe erklärt habe, es würde beim Alten bleiben und ihn dringend ersuche, die Schüler in dieser äußerst bedenklichen Sache nicht weiter zu hören, sondern sie bei wiederholter Nachfrage an mich zu verweisen, indem ich am besten selbst mich mit ihnen verständigen, und als Lehrer über Sachen zwischen mir und ihnen am füglichsten ohne Mittelsperson zu ihnen sprechen würde. Dem Director Weiller gefiel es nicht, mir weder von dem, was vorgegangen war, noch was er zu thun sich entschloßen hatte, nur das mindeste zu eröffnen, und er entließ mich mit scheinbarer Beystimmung. - Aber statt meinen billigen Forderungen, wie er versprochen, im geringsten nachzugeben, entschloß er sich vielmehr zu einem neuen Schritt gegen die Schüler, der über seine Absicht bey dieser ganzen Sache durchaus keinen Zweifel mehr erlaubt. Mir hatte er scheinbar zugesagt, die Schüler in dieser Sache nicht mehr zu hören, und, wenn sie kämen, an mich zu verweisen. - Er wartete ihre Ankunft nicht einmal ab, und beorderte eine Anzahl - den Heinrich von der Becke, Ludwig von Coulon, Joh. Bapt. Güte - zu sich auf das Directorat. Durch mich selbst war er von meiner Erklärung an die Classe und von den Gründen derselben unterrichtet, aber dennoch erklärte er den Schülern, daß es mit dem Verbleiben beim Alten nur ein Mißverständniß sey und ich es bei einer Stunde würde bewenden lassen. Mir sind die Gründe so unbekannt, als unerklärlich, die den Director Weiller vermochten, durch diese neue Maasregel mich vor der Classe in Widerspruch mit mir selbst zu stellen und die Meinung unter meinen Schülern zu erzeugen, daß ich trotz meiner nachdrücklichen auf dem Katheder abgelegten Erklärung von ihm genöthigt worden sey, der Widersezlichkeit, der Indiscretion und dem Undanke doch zum Theil nachzugeben.
Indeß war ich selbst mit dem Innern Zusammenhange dieser Händel mehrere Tage gänzlich unbekannt. Ich wußte blos, daß die Classe einen Versuch gemacht hatte, die Stunden zu unterdrücken und glaubte sie durch meine Mäßigung und mit Zustimmung des Directorats zur Ruhe und in die Grenzen der Bescheidenheit zurückgewiesen. - Doch endlich erfuhr ich von einem meiner Freunde, der durch ein Mitglied der Classe unterrichtet war, mehreres von den zusammenhängenden Umtriben der Schüler, von dem Benehmen der Direction und dem Einwirken des Pedell. Nachdem ich so zur Erforschung der Sache gezwungen, von mehreren Schülern Nachricht eingezogen hatte, lag das ganze Gewebe der geheimen Machinationen und des bösen Willens deutlich und im Zusammenhange vor Augen, niedrig genug, um auch die Indignation auch des Geduldigsten zu erregen. Ohne mir jedoch den geringsten Vorwurf gegen den Director zu erlauben, unterrichtete ich ihn blos, was ich sofort der Classe eröffnen würde, und erklärte dieser nach Beendigung der Lehrstunden vor der Messe, daß ich in meinem bisherigen Urtheil über sie mich sehr getäuscht hätte. Denn als ich erklärt, es würde rücksichtlich der Correcturstunden beim Alten bleiben, sey ich der Meinung gewesen, daß die Bewegungen gegen dieselben nur von einigen Arbeitsscheuen veranlaßt und bereits vorübergegangen wären, weil ich unmöglich habe glauben können, daß eine ganze Classe gegen den Lehrer auftreten könne, um Bemühungen, die er zu ihrem Gedeihen für nöthig geachtet, als eine Last von sich zu werfen. - Zu meinem Erstaunen aber hätte ich vernommen, daß nicht einige, sondern alle, nicht vorübergehend, sondern wiederholt und selbst durch sträfliche Verbindungen sich gegen meine Absichten vereinigt hätten. - Diese Erfahrung sey neu, und ich könne nicht leugnen, daß sie mir auch schmerzlich sey, und dieses um so mehr, als ich bisher geglaubt hätte, bey einem großen Theil von ihnen wissenschaftlichen Sinn, rücksichtslose Thätigkeit und Erkenntlichkeit für mich zu bemerken. Von dieser erfreulichen Ansicht müße ich mich entwöhnen, da ich für meine Wünsche Widerspenstigkeit, Arbeitsscheu, Indiscretion und Undank gefunden habe. - Undank zu ertragen sey die schwere Pflicht jedes redlichen Mannes; aber es sey das Zeichen von Schwachheit, seine Bemühungen fortgesetzt an Undankbaren zu verschwenden. Diese Stunden würden demnach von heute an geschloßen und nicht eher wieder geöffnet werden, bis sich die ganze Classe oder einzelne zu freywilligen Besuch derselben entschließen würden, damit ich nach diesem Schritte beurtheilen könnte, wer von ihnen meiner Geringachtung werth oder meiner Verzeihung würdig sey. - Indem ich diese Erklärung von mir gab, hoffte ich allerdings, daß der beßere Theil der Schüler sich zu diesen Stunden melden und ihr Beispiel die andern nach sich ziehen würde; aber der einmal eingerißene Geist der Meuterey behauptete auch hier wieder seine Macht. Unter der Voraussetzung, daß es schimpflich sey, da sie um Einziehung der Stunden sich bemüht hätten, die Fortsetzung derselben zu verlangen, wurden diejenigen auf die vorige Weise mit Verfolgung bedroht, welche sich zum Besuche derselben melden würden, und mehrere der beßeren erklärten mir freywillig auf meinem Zimmer, daß sie bei dem besten Willen für die Sache, nicht wagen dürften, um Aufnahme in jene Stunden zu bitten, ohne sich der Rohheit der andern auszusetzen. - Der Pedell Thürmer aber hat meine Schüler nach der Messe über mein Urtheil mit der Bemerkung getröstet, sie könnten dieses leicht übersehen, da doch die Sache selbst durchgesetzt worden wäre.
So wurde durch die Erklärung des Director Weiller über die Ungesezlichkeit jener Stunden und die sträfliche Einmischung des Pedell Thürmer in einer Classe, mit deren Fleiß und Betragen ich bis jetzt fortdauernd zufrieden gewesen war, der Geist des Widerstreites zuerst angeregt, durch unruhige Köpfe bis zur Meuterey getrieben, so wie durch das unerklärliche Benehmen des Director und die ehrenrührigen Äußerungen des Pedell über meine Person mein Ansehen als Lehrer wiederholt blosgestellt. - Ew. Königl. Majestät haben bey früheren Vorfällen in der Oberclasse des Gymnasiums Allerhöchst Dero Mißbilligung über den Geist der Schüler geäußert, durch den die Ordnung aufgelöst, und das Gedeihen des ganzen, des gemeinsame Bestreben und das Ansehen des Lehrers der Willkühr weniger roher und unwürdiger Subjecte Preis gegeben wird. Ganz ähnlich sind die aufgezählten Vorfälle, und um so bedenklicher, da das Directorat dabey betheiligt ist. - Diesen lezten Umstand dem Allerhöchst eigenen Ermessen Ew. Königl. Majestät anheimstellend rufe ich Allerhöchst Dero Beistand zur Wiederherstellung des Geistes der Ordnung, zur Begründung meines Ansehens und zur Bestrafung der Schuldigen allerunterthänigst an, indem ich es unmaasgeblichst der Sache für gemäß halte, daß durch eine verhängte nähere Untersuchung und durch Befragung der Schüler der Reihe nach, um keinen Einzelnen den Verfolgungen der Rohheit auszustellen, es erwiesen werde:
a) daß der Pedell Thürmer sich jene Äußerungen und Urtheile über mich und meine Stunden erlaubt habe.
b) welche die vorzüglichsten Urheber der Meuterey, besonders aber des Blattes sind, auf dem man sich durch Unterschriften zu einem schlechten Gewerbe gegen den Lehrer verpflichtet hat.
daß demnächst:
a) der Pedell Thürmer zur öffentlichen Abbitte und gefänglichen Haft verurtheilt, und
b) über diejenigen Schüler, deren Namen auf dem Blatte zuerst gestanden, als über die Urheber desselben eine ihren Vergehungen angemessene Strafe zu ihrer Correction und zur Warnung für andere verhängt werde.
Da jedoch das Directorat, in dessen Namen der Director handelt, durch die Maasregeln des letzteren in der Sache selbst betheiliget ist, so bitte ich Allerunterthänigst, daß nicht dieser Behörde, als einer Parthei gegen mich die erwähnte Untersuchung übertragen werde.
Nächst dem ersuche ich Ew. Königl. Majestät allerunterthänigst, daß Höchstdieselben, um die Sachen auf den vorigen Fuß wieder herzustellen, auf dem ich sie zu behaupten nothwendig suchen muß, der ganzen Classe Allerhöchst Dero Königl. Mißfallen über ihren hartnäckigen Undank zu erkennen geben, mir allergnädigst auftragen, zu den namhaft gemachten Arbeiten, wie den Winter über entweder zwey oder eine Stunde wöchentlich zu halten, je nachdem ich es für nöthig erachte, diese Stunden aber auch für künftige Fälle zu sanctioniren und Allerhöchst Dero Entschließungen den Betheiligten in meiner, des Directorats, der ganzen Classe und des Pedell Thürmer Gegenwart eröffnen zu laßen.
Der ich in tiefster Unterwürfigkeit verharre
Ew. Königl. Majestät
unterthänigst gehorsamer Diener
Dr. Friedrich Thiersch
Professor der oberen Mittelclasse
beym Gymnasium hierselbst
München den 1ten Juny
1810