Fortsetzung des Protokolls mit Vernehmung des
H. Profeßors Thiersch.
1)
Wieviele außerordentl. Lehrstunden der H. Profeßor Thiersch den Schülern seiner Klasse gegeben, und welche Gegenstände derselbe darin behandelt habe.
T:
Entweder eine Stunde oder zwey, je nachdem Stoff zu der für dieselben bestimmten Beschäftigung vorrä-thig war.
Diese Beschäftigungen bestanden von Seite
des H. Profeßors darin, daß er die von ihm corrigirten schriftl.
Arbeiten zum Theil durchgieng und zurückgab; die freyen schriftl.
Arbeiten mit seinem Urtheile darüber den Schülern wieder zustellte,
ihnen zur Erläuterung geographischer und historischer Gegenstände
Charten, Kupferwerke, u. merkwürdige Bücher vorlegte, - und von
Seite der Schüler, daß sie die memorirten Stücke hersagten,
versäumte Anfangsgründe besonders in der griechischen Formenlehre
nachholten, u. über früher abgehandelte Gegenstände zuweilen
sich prüfen ließen. - Auch wurde einigemale die in der Schule
abgebrochene Erklärung vollendet.
2)
Ob der H. Profeßor diese außerordentl. Lehrstunden zu Zwangs-Stunden gemacht habe, und wodurch er dießfalls authorisirt zu seyn glauben konnte?
T:
Der H. Profeßor habe den Schülern erklärt, daß sie verpflichtet seyen, dieselbe so gut zu besuchen, wie die gesetzlichen Lehrstunden, und zwar aus folgenden Gründen:
a) weil ihm von seinen gesetzlichen Stunden wochentl. eine durch den Religions-Unterricht, den ein katholischer Lehrer zu besorgen hatte, entzogen wurde, und Er dadurch in seinem Vortrage so reichhaltiger Gegenstände beschränkt, Nebenbeschäftigung in einige der genannten Stunden zu verweisen genöthigt war,
b) glaubte er sich hiezu um so mehr berechtigt, weil die Klasse statt der durch das Normativ bestimmten 24 Lehrstunden wegen Abgang eines besondern Lehrers der philosophischen Vorbereit. Wissenschaften nur 20 zu besuchen hat.
Im übrigen beruft Er sich auf die einschlägige
Stelle in seiner Beschwerdevorstellung.
3)
Ob dem H. Profeßor nicht vorgestellt worden, daß es von der Willkühr eines Lehrers nicht abhängen könne, die gesetzlichen Stunden zu mehren oder zu mindern, und ob derselbe mit dem Director Weiller nicht übereingekommen sey, es beim alten zu lassen?
T:
Ihm sey diesfalls nichts vorgestellt worden, auch hatte er nicht nach eigner Willkühr gehandelt, sondern dem Director davon vorher benachrichtigt, wie in seiner Vorstellung angegeben ist. Noch sey zu bemerken, daß kurz nach Anfang dieser Stunden, als dieselben mit den französischen des Prof. Lemoine kollidirten, der Director Weiller dem Prof.Thiersch mündlich auf dem Rectorats-Zimmer erklärt: er habe sich mit dem Profeßor Lemoine besprochen, daß Er seine 12 Stunden auf 6 einschränken sollte.
Der Schein der Willkühr könne also nicht auf ihn fallen. Übrigens war Er um so mehr genöthiget, bei einmal geschehener Übernahme der Stunden auf Besuchung derselben von allen Schülern zu bestehen, da sonst der Zweck derselben nicht erreicht worden wäre.
In Hinsicht des 2ten Punktes beruft er sich auf
die Beschwerde-Vorstellung.
4)
Es scheint, daß der H. Profeßor durch sein Versprechen auf gewisse Weise getäuscht habe, und es fragt sich, wie er glauben konnte, daß, wenn er seinen Unterricht auf eine Stunde beschränkt hätte, er sich vo seinen Schülern compromittirt haben würde.
T:
Er habe dem Director zwar versprochen, es so einzurichten,
daß im Durchschnitte auf die Woche nur eine Stunde käme, - keineswegs
aber dieses der Klasse zu erklären. Das Ansehen eines Lehrers scheint
ihm kompromittirt zu werden, wenn die Schüler durch Widersetzlichkeit
gegen seine wohlgemeinten Absichten ihn nöthigen, bei seinen Maaßregeln
für ihre Bildung Rückschritte zu thun. Übrigens lag in seiner
Erklärung an den Director auch dieses, daß auf manche zwey -
auf manche eine oder eine halbe Stunde, oder gar keine fiel, und er konnte
also, was seiner Würde als Lehrer gemäß war, erklären,
es beim alten zu lassen.
5)
Ob der H. Profeßor Gründe habe, zu glauben, daß einige Schüler die übrigen Mitschüler aufgewiegelt haben, u. welche jene seyen.
T:
Es gehe aus der Natur der Sache hervor, daß,
wo eine ganze Klasse sich wiederholt gegen den Lehrer verbindet, einige
die Vorschläge thun u. die Sache betreiben müssen, denen die
anderen folgen: diese wären also die Aufwiegler-, wer sie seyen, würde
sich aus dem Verhör der einzelnen Schüler ergeben.
6)
Der H. Profeßor möge über die Angabe gegen den Pedell nähere Beweismittel angeben, damit die Untersuchung gegen den Pedell hierauf gegründet werden könne.
T:
Der Pedell habe dem Schüler Stecher schon früher erklärt, daß der Besuch dieser Stunde sehr unnöthig u. unnütz sey, und keiner hineinzugehen brauche. Ferner die Schüler Van der Beck und Oestreicher haben ihm bestätiget, was er schon anderweit gehört,
a) daß der Pedell ihnen das Spazirengehen mit dem in der Beschwerdeschrift angegebenen Umständen angerathen habe,
b) die Aussagen rücksichtlich des Verklagens und Verurtheilens im Directorat
Die letzte Aussage, daß er sie über
des Prof. Tadel durch die Bemerkung getröstet, "die Sache sey doch
durchgesetzt", stammt ebenfalls vom Schüler Stecher.
7)
Ob der H. Profeßor über diese Angelegenheit mittelbar, oder unmitelbar, Etwas an das hiesige Stadtgericht gebracht habe.
T:
Er wurde als Zeuge auf dem Stadtgerichte in dem
Prozeß gegen die Pasquillanten verhört. Rücksichtl. der
Pasquille, die gegen ihn selbst und die neue Studienordnung in dem Studienhause
zu jeder Tages Zeit und sehr häufig waren angeschlagen worden, ward
der Pedell Thürmer verdächtig befunden, nach Gründen, die
dort ad acta gegeben sind. Einer von diesen Gründen, der hieher gehört,
war, daß er durch sein Benehmen bei den Unruhen der Schüler
ähnliche Gesinnungen, wie die Pasquillanten gegen den Profeßor
und die Einrichtung an den Tag gelegt, und zur Erregung von Unruhen beigetragen
hat, wie vielleicht die Pasquille sie beabsichtigten. Der Prof. Thiersch
gab dieses laut Aussage des Protokolles bei dem Stadtgericht nur zur Notiz
für den Richter, indem er erklärte, daß diese Sache erst
durch eine Klagschrift an das Ministerium des Innern gebracht, und untersucht
werden würde. Der Richter erklärte ihm, daß er wegen Mittheilung
des Resultats jene Höchste Behörde ersuchen und zu seiner vorläufigen
Kenntniß einige Schüler vernehmen werde, worauf H. Profeßor
ihm die Schüler Van der Beck und Oestreicher vorschlug, da er diese
selbst befragt hatte. Das Weitere ist ihm durchaus unbekannt.
8)
Ob der H. Profeßor in der Sache noch etwas anzugeben wisse.
T:
Nein
Hiermit wurde das Protokoll geschlossen und vom H. Profeßor eigenhändig unterzeichnet