Gesetze
und Vorschriften
zur äußern, intellectuellen
und sittlichen Bildung der Studirenden in den Lyceen
Wer die reiferen Jahre seiner Jugend in einem öffentlichen Schulhause höhern Studien widmet, bekennet sich schon dadurch feierlich zu einem erhabneren Berufe, und berechtigt das Vaterland, und überhaupt die ganze Menschheit, strengere Forderungen an ihn machen zu dürfen, als an diejenigen, welche auf einer niedern Stufe von Geistesbildung und Kenntnissen sind stehen geblieben, oder die dem Staate größtentheils nur mit Körperkräften zu dienen erlernet haben. Mit Recht erwartet und fordert also die Welt von ihm eine gebildete Außenseite im Umgange, mehr Philosophie im Entbehren und Dulden, eine klügere Ueberlegung in Entschlüssen und Handlungen, eine weisere Mäßigung seiner Leidenschaften und animalischen Triebe, gereinigtere Sitten, kurz, in jeder schönen und guten Eigenschaft eine ungleich höhere Vervollkommnung, und ein edleres betragen, als sich von Menschen fordern läßt, welche in ihren Jugendjahren kaum mit den Nahmen der sanfteren Künste und bildenden Wissenschaften sind bekannt geworden.
In dieser gerechten Voraussetzung erwartet nun
auch das kurf.General-Schulen- und Studien-Direktorium von allen Schülern
der vaterländischen Lyceen die treugehorsamste, pünktlichste
Beobachtung aller hier folgenden Gesetze und Vorschriften, und verordnet
zugleich, dieselben unverzüglich zum öffentlichen Drucke zu fördern,
damit jeder Studirende sie zu seiner berufsmäßigen Selbstbildung
stäts vor Augen haben, und darauf das Gebäude seiner künftigen
Glückseligkeit gründen möge.
I.
Gesetze und Vorschriften, die äußere
Bildung betreffend
1.
Fast alle Menschen, besonders in unserer heutigen eleganten Welt, pflegen einander nach ihrer äußern Bildung zu beurtheilen, aus dem Mangel der körperlichen Kultur, wiewohl manchmahl sehr unrichtig auch auf ein inneres Deficit zu schließen, und sich in der Folge nach derselben Meinung gegenseitig zu behandeln.
Da nun vorzüglich Jünglinge der höheren
Schulen, die allernächstens in der großen Welt bedeutendere
Rollen zu spielen wünschen, zur Förderung ihres Glückes
sehr viel an der Meinung und Achtung ihrer Mitmenschen gelegen sein muß,
und sie sich überdieß bis zum Austritte aus den Schulen auch
ihren jüngern Standesbrüdern in jeder guten Sache stäts
als nachahmungswürdige Muster zeigen sollen: so sei Ordnung,
Reinlichkeit,
und Wohlstand in der Kleidung immer ihr erstes Augenmerk.
2.
Als Leute, denen man zutrauet, daß sie solidere
Werthe kennen gelernet, und ihren Geschmack in den Schulen der schönern
Künste geläutert haben , sollten sie der Macht einer herrschenden
Mode weder mit sclavischer Unbedingtheit fröhnen, noch, wenn einfache,
ächt ästhetische Schönheit sie empfiehlt, selbe wie sauertöpfische
Sonderlinge verachten. Faselnde Moden selbst ersinnen, verräth insgemein
eine kleine, eitle Seele, und steht mit dem ernsten Berufe eines Studirenden
von reifern Jahren in auffallendem Kontraste.
3.
Außer den nöthigen Stücken einer
reinlichen, geschmackrichtigen Kleidung auch noch andere Stutzerzierarthen
und Modetändeleien zur Schau umhertragen, z.B. Tabakspfeifen
und Dosen, Knoten- und Degenstöcke, Ohrengehänge, Lorgnetten
und Ferngläser bei gesunden Augen, oder sich mit einem Brutus- oder
Tituskopfe auszeichnen wollen, widerspricht ebenfalls der schönen
Bestimmung derer, die, durch bessern Umgang gebildet, ungleich weniger
Bedürfnisse und einen edleren Geschmack haben sollten, als insgemein
kindischer Leichtsinn, Müßiggang, Langeweile und die Sucht zu
glänzen, und in die Augen zu fallen, erzeugen. Statt entbehrlicher,
und sehr oft zu eckelhaften Gewohnheiten und schädlichen Mißbräuchen
verleitender Dinge wähle sich der Studirende vielmehr ein gutes Buch,
etwa einen Lieblings-Klassiker aus alten oder neuern Zeiten. Es
gibt im menschlichen Leben viele abgerissenen einzelne Zeitpuncte, in welchen
so eine Begleitung angenehme und nützliche Dienste leisten kann: und
einem Menschen, der ernstlich nach höherer Bildung trachtet, soll
aus seiner Schuld keine Minute ganz verlohren gehen.
4.
Mäntel zu tragen, die leider schon zu oft
Decken von jeder Art Wust und Unfug, und manchmahl auch die Ursache einer
lebenslänglichen Plumpheit geworden sind, steht dem Studenten überhaupt
nur mehr im Winter, und bei der rauhesten Witterung frei; doch sollen sie
in den Hörsählen (einige ungewöhnlich kältere Wintertage
etwa ausgenommen) jedes Mahl, so wie die Hüte, abgelegt, und an Nägelrahmen
ordentlich aufgehängt werden. Statt dieses ehedem beliebten, sehr
trüglichen Kennzeichens zeichne sich jeder würdige Musensohn
vielmehr durch einen gebildetern Wandel, reinere Mundart, und veredelte
Sitten vor den Jünglingen anderer Stände zur allgemeinen Erbauung
und Zufriedenheit aus.
5.
Da die Haltung und Bewegung des Körpers
insgemein ein anschaulicher Abdruck des in seinem Innern wirkenden Geistes
ist, und jede körperliche Eigenschaft wechselweise auch wieder auf
die Seele zurückwirkt, so soll jeder Schüler der höhern
Wissenschaften auch in dieser Hinsicht über sich wachen, sich eben
so sorgfältig vor einem trägen, schwerfälligen Gange und
plumper Ungelenkigkeit, wie vor zu gezierten, unnatürlichen Stellungen
verwahren, und auch in Rücksicht dieser äußerlichen Vervollkommnung
sich immer die bessern, gebildetern Menschen zum Muster wählen.
6.
Mit ganz vorzüglichem Anstande sollen überhaupt
alle Studirende in Kirchen und Hörsählen erscheinen,
des großen Zweckes eingedenk, daß sie sich in diesen heiligen
Hallen zur Erfüllung ihrer hauptsächlichen Berufspflicht, ihrer
moralischen und intellectuellen Bildung, und der hieraus für alle
Zukunft entspringenden eigenen Glückseligkeit wegen versammeln.
7.
Auch dem Publikum ist der Studirende, wo er immer sich demselben zeigt, überhaupt, wie jeder andere Mensch, die geziemendste Achtung schuldig; insbesondere aber soll er bei öffentlichen Auftritten die genaueste Sorgfalt anwenden, um durch seine Modestie die allgemeine Meinung für die gute Sache, für die Ehre seines Standes, und den untadelhaften Ruf der vaterländischen Schulen zu erhalten. Leider! hat schon öfter das rohe Betragen einzelner leichtsinniger Schüler in der Folge selbst ihren Lehrern, Schulobrigkeiten, und wohl gar dem ganzen Studienwesen Geringschätzung und Haß zugezogen.
So sehr man aber dergleichen Unfug, und besonders
jene ausdruckslose, abgeschmackte Unruhe gewisser alberner Modegeschöpfe,
und von sich zu sehr eingenommener, sogenannter Kraftmenschen aus allen
öffentlichen Versammlungen verbannt wissen will; eben so wenig wünscht
man daselbst, anstatt mit Anstand fröhlicher Jünglinge, altkluge
Säuerlinge und heuchlerische Kopfhänger zu sehen.
8.
Was vom anschaulichen Ausdrucke des Körpers gesagt worden ist, gilt auch von seinem Sprachorgane, das der Schöpfer zum vorzüglichen Ausdrucke unserer Seele bestimmt hat. Es bedarf daher wohl keiner weitern Erinnerung, daß jeder Gebildetere auch seine Stimme in einem gewissen Mittelmaße zu erhalten sich angewöhnen soll.
Diese Herrschaft über ein in der Jugend ohnehin
so gerne thätiges Organ ist besonders in Gegenwart anderer Menschen,
und bei Versammlungen um so nothwendiger, als sonst viele, auch nur gewöhnliche
Stimmen im Ganzen doch bald einen zu großen, unanständigen Lärm
geben, mit welchem sich die den öffentlichen Versammlungen gebührende
Achtung und der gehörige Anstand unmöglich verträgt. Da
nun das Sprechen wenigstens auf öffentlichen Strassen, gemeinschaftlichen
Spatziergängen und Hörsählen der einzig schickliche Gebrauch
unseres Sprachorgans ist, so hat der Gebildetere an eben erwähnten
Orten von den noch übrigen Gebrauchsarten, z.B. Pfeifen, Singen u.dgl.,
was nur eine alberne Mode, nie die Vernunft billigen kann, sich immer zu
enthalten.
9.
Die Urbanität ist in ihrem eigentlichen Verstande nicht bloß Sache der Konvention, sondern selbst der Vernunft. Jene bestimmt nur die Art des Ausdruckes, diese aber liegt dem Ausdrucke der Urbanität zum Grunde, und fordert Achtung für jeden Menschen, und für gesellschaftliche Verhältnisse.
Urbanität ist also jedem bessern Menschen wichtig, und sie sei es um so mehr den Kandidaten einer höhern Bildung.
Jeder Studirende beobachte daher die in der civilisirten
Welt eingeführten Ausdrücke der Ehrfurcht, z.B. durch Hutabziehen,
sich Verneigen u.dgl. gegen höhere Personen jeden Standes, der gegenseitigen
Achtung gegen seines Gleichen, und selbst gegen Niedere. Auch der Geringste
trägt noch das verehrungswürdige Gepräge der Menschheit
an sich; und vorzüglich hierin soll der Schüler höherer
Klassen jenen der kleinern ein musterhaftes Beispiel geben. Grobheit und
roher Stolz sind aller Welt verhaßt, und lautsprechende Kennzeichen
eines Ungebildeten, der seine rauhen Ecken überall zur Schau umherträgt,
und wohl gar darauf groß thut. Der bessere Jüngling schleift
sie, seiner ursprünglichen Unvollkommenheit bewußt, gutwillig
ab, und beeifert sich, nachsichtig, verträglich, gefällig und
zuvorkommend gegen seine Mitmenschen zu sein. er weiß, daß
es kein Verhältniß gibt, in welchem man alle Achtung gegen Menschen
aufgeben dürfe. Er ehret also, wenn auch hier und da ein Individuum
seine Ansprüche auf gegenseitige Achtung gänzlich aufgegeben
zu haben scheint, noch dessen Amt und Stelle, oder das Gute, das so ein
Mensch unter manchem Schlimmen noch an sich haben mag, oder doch - das
Bild des Menschen.
10.
Sich in Hinsicht der im gesellschaftlichen Leben
so nothwendigen Urbanität frühzeitig eine ungekünstelte
Fertigkeit in den konventuellen Höflichkeitsbezeugungen eigen zu machen,
sollen sich studirende Jünglinge bei jeder Gelegenheit an gebildetere
Menschen anschließen, und überall die vollkommensten Muster
gehörig nachzuahmen suchen. Die mechanische Vorbereitung hierzu haben
die meisten ohnehin in ihrer frühern Jugend von Aeltern, oder eigens
dazu aufgestellten Lehrern der Höflichkeit und des äußern
Anstandes erhalten.
11.
Um die Schüler der vaterländischen Lyceen
zur ernstlichen Beobachtung aller bisher ertheilten Vorschriften, die äußere
Bildung betreffend, desto gewisser zu bringen, werden alle Rectoren
und Lehrer der kurbaierischen Lyceen darüber genaue Aufsicht halten,
ihre Beobachtungen hierinfalls am Ende jedes Schuljahres als einen wesentlichen
Erziehungsgegenstand in allgemeine Berechnung bringen, und auch den Fortgang
in demselben sowohl in den ad acta zu hinterlegenden Sittentabellen, als
in den öffentlichen Zeugnissen jedes Schülers ausdrücklich
anmerken. Rohere Jünglinge mögen sich alsdann die Schuld selbst
zuschreiben, wenn sie bei übrigens gutem Fortgange der vernachläßigten
äußern Bildung wegen jene Note nicht erhalten, welche sie sich
versprechen.
II.
Gesetze und Vorschriften, die intellectuelle
Bildung der Lyceisten betreffend
12.
Um es in der intellectuellen Bildung weit zu bringen,
werden, besonders in unsern Tagen, vorzügliche Talente und
ein großer anhaltender Fleiß erfordert. Wen Mutter Natur nicht
mit besondern Geistesgaben für höhere Wissenschaften hinlänglich
ausgerüstet hat, dem räth man wohlmeinend, von selbst auf einen
Stand Verzicht zu thun, wo er am Ende höchstens nur die Mittelmäßigkeit,
mit der in der heutigen Welt wenig ausgerichtet ist, erreichen dürfte.
Er verlasse also die Schulen, ehe man ihn bei stäts zunehmender nothwendiger
Strenge der Musterungen dazu wird zwingen müssen, freiwillig, und
wähle sich lieber frühzeitig einen Stand, welcher eben keine
höhere scientifische Bildung fordert, und worin er dem Vaterlande
nach seinen Kräften bessere Dienste wird leisten können.
13.
Jeder denkende Mensch kann es an sich bemerken,
daß er nur alsdann an Kenntnissen mehr zunimmt, wenn er selbst denkt,
selbst alles prüft. Durch Fleiß versteht man also hier
nicht bloß die körperliche Gegenwart bei öffentlichen Vorlesungen,
noch ein sclavisches Memoriren oder gedankenlose Nachbethen des Gehörten;
sondern vielmehr ein rastloses Selbstforschen und Prüfen, und ein
immerwährendes Bestreben nach vollendeten Studien ein vorzüglich
brauchbares Glied in der Kette der menschlichen Gesellschaft, und, wo möglich,
zum Dienste des Vaterlandes zu werden. Darauf werden künftig auch
die Professoren, besonders in den schriftlichen Prüfungen ihrer Schüler,
dergleichen nach Verhältniß des Stoffes im Verlaufe des Schuljahres
mehrere vorgenommen werden, gehörige Rücksicht nehmen, um sodann
am Ende desselben den Schülern für jedes Fach eine doppelten
Fortgang über das Gehörte, nämlich einen des Wissens
und einen des Selbstdenkens anwenden zu können.
14.
Nebst den eben erwähnten schriftlichen Prüfungen hat sich jeder Lyceist am Ende eines Semesters auch noch mündlichen in Gegenwart der kurfürstl.Local-Commission oder des Rectors und dazu geeigneten Professors zu unterziehen.
Wer unterm Jahre während der gewöhnlichen
Vorlesungen von seinem ordentlichen Professor zum Beweise seines Wissens
und Selbstgedachten aufgerufen wird, soll, um sich für sein künftiges
Geschäftsleben allmählig an öffentliche Auftritte zu gewöhnen,
jedes Mahl an einen in der Nähe des Professors anzuweisenden Platz
vortreten, und daselbst, das Angesicht gegen seine Mitkandidaten gewandt,
seine Antworten, Beweise und Erklärungen stehend, und mit gehörigem
Anstande vortragen.
14.
Studirende zum Fleiße durch ein Gesetz verbindlich machen wollen, sollte wohl eine überflüßige Sache sein. Schon selbst der Nahme ihres Standes, und der damit verbundene berufsmäßige Trieb zum Wissen verpflichtet jeden dazu.
Sollte aber gegen alle Erwartung ein Ausgearteter auch diese seine characteristische Standespflicht so ganz außer Acht lassen, daß er sich nicht einmahl die Mühe gibt, den öffentlichen Vorlesungen immer körperlich beizuwohnen, und ohne erweisliche zureichende Entschuldigung, oder vorherige Anzeige bei dem Schulrectorate oder seinem Professor, von 6 obgleich nicht unmittelbar aufeinander folgenden Kollegien weggeblieben sein soll. den wird das kurfürstl.General-Schulen- und Studien-Directorium nach vorläufigem Rectorats-Berichte, und eintretenden Umständen, ohne weiters entlassen.
Wer einmahl einer Vorlesung beizuwohnen durch einen
unvermutheten Zufall gehindert worden, entschuldige sich sogleich am Ende
der nächstfolgenden bei seinem Professor, und wer erkrankt, lasse
dieß unverzüglich dem Lyceums-Rector melden.
15.
Einen im vaterländischen Studienplane vorgeschriebenen
Lehrgegenstand oder wissenschaftlichen Zweig unter was immer für einem
Vorwande zu überspringen, wird nicht gestattet. Aus diesem Grunde
sollen künftig alle Kandidaten der Philosophie ohne Ausnahme auch
den Vorlesungen aus der Naturgeschichte, Pädagogik und
Experimental-Physik
ununterbrochen beiwohnen, und wer sich der naturhistorischen oder sonst
einer ordentlichen Prüfung aus was immer für einem Lehrfache
entzieht, dessen Nahme wird am Ende des Studienjahres im ganzen öffentlichen
Katalog weggelassen.
16.
Den bessern Jünglingen auch für die Stunden
ihrer Muße Stoff und Gelegenheit zu Beweisen eines außerordentlichen,
selbstthätigen Fleißes zu verschaffen, dergleichen insgemein
auch jene Stände fordern, in welche sie nach Vollendung ihrer Studien
übertreten, Theils auch, um ihnen diesen Uebergang in Hinsicht auf
ihre künftigen Amtsarbeiten dadurch möglichst zu erleichtern,
daß sie nähmlich nach eine ununterbrochenen Uebung in ihrer
deutschen Vaterlands- und künftigen Geschäftssprache schon aus
den Schulen die gehörige Fertigkeit mitbringen, sich mittels reiner,
kraftvoller Schreibart auszudrücken; so sollen auch die Schüler
höherer Wissenschaften von ihren Professorenöfter eigene Stylaufgaben
erhalten, oder mit Gutachten derselben sich selbst einen Stoff wählen,
und sodann die hierüber ohne fremde Hülfe bearbeiteten Aufsätze
an bestimmten Tagen, und in einem hierzu eigens zu organisierenden Zirkel
mit anpassender Deklamation eines Professors ablesen, der sie nachher dem
kurf.Lyceums-Rector zur aufbewahrung, oder nach Verdienst ihres innern
Gehaltes allenfalls auch zur öffentlichen Kundmachung und Belobung
einzuhändigen hat. Ueberhaupt aber, und in jedem Falle soll das aus
dergleichen practischen Stylübungen sich ergebende Resultat von den
Professoren, als Beweis einer sonderheitlichen Verwendung, ausdrücklich
in die endliche Berechnung gebracht werden.
17.
So wie man den Schülern höherer Wissenschaften in Rücksicht ihres in den Schulen der schönen Wissenschaften gebildeten Geschmackes eine vernünftigere Auswahl der Moden, ihre Kleidungsart und äußere Bildung betreffend, zutrauet; um so mehr ist man berechtigt, in litterarischer Hinsicht von denselben zu erwarten, daß ihr durch so viele Studienjahre gebildeter Geist nur an solider Lectüre, vorzüglich an den musterhaften Werken klassischer Schriftsteller Geschmack finden, dagegen mit Lesung faselnder oder schwärmerischer Mode-Romane, die unschätzbare und unwiderrufliche Zeit zu vertändeln, unter der Würde ihres erhabenen Berufes halten werden. Bekanntlich verschaffen diese größtentheils heillose Schriften nichts weniger, als eine ächte, studirenden Jünglingen in jeder Hinsicht nothwendige Menschen- und Weltkenntniß, und haben schon zu oft in jungen unerfahrenen Herzen die gefährlichsten Leidenschaften rege gemacht, und sie zu den tollsinnigsten Ausschweifungen verleitet.
So eine nachtheilige Lectüre vollends aus
den vaterländischen Lyceen u entfernen, und zur allgemeinen Beförderung
jenes gereinigten bessern Geschmacks gedenket das kurf.General-Schulen-
und Studien-Directorium auch für die lateinischen Schulhäuser
gemeinnützige Lesebibliotheken zu veranstalten, in der sichern
Hoffnung, daß vorzüglich jene Studirende von reifern Jahren,
denen es um ihre Geistesbildung und künftige Glückseligkeit ernstlich
zu thun ist, eine so vortheilhafte, unentgeldliche Gelegenheit dankbar
und aus allen ihren Kräften benützen, und am Ende jedes Monats
dem kurf.Lyceums-Rector eine schriftliche, eigenhändige Anzeige der
im Verlaufe des Monathes von ihnen gelesenen Schriften einhändigen,
auch allenfalls Beweise der Wahrheit, und auf Verlangen im Stande sein
werden, sowohl über den Inhalt, als auch über den ästhetischen
und moralischen Werth des Gelesenen nach ihrer Einsicht Rechenschaft zu
geben.
18.
Jünglingen, ob sie gleich ihren Verstand durch Unterricht und Selbstforschen bis zur möglichsten Stufe aufgeklärt und mit den richtigsten Grundsätzen und Lehren bereichert haben mögen, steht darum doch das Recht nie zu, über die Aeußerungen Andersdenkender dreist und mit eingebildeter Superiorität des Verstandes abzusprechen.
Der Gebildetere soll es wissen, daß es auch
Rechte
zu Meinungen gibt, daß diese den Menschen gewöhnlich wichtiger
sind, als selbst die Sachen, und daß, um jemand zur freiwilligen
Ablegung einer alten Meinung zu bewegen, eine große Gewandtheit des
Geistes erfordert wird, die man in der Jugend insgemein noch nicht besitzt.
Er schone also selbst Vorurtheile, vorzüglich religiöse.
Noch vorsichtiger gehe er mit den Wahrheiten um, besonders wieder
mit religiösen, wenn er sie gleich in manchen Köpfen selbst
nur als Meinungen, folglich nur halb, nur entstellt antrifft. Die Sache
der Ueberzeugung ist einmahl zu zart, und ein unkluges Betragen in diesem
so kritischen Punkte, kann die Schwachen immer nur ärgern, nie bessern.
Jeder muthwillige Ausfall über Religionswahrheiten macht daher die
unmittelbare Entfernung aus den vaterländischen Schulhäusern,
und jede spöttische Aeußerung über religiöse Vorurtheile
ernstliche Bestrafung nothwendig. Klügere Schüler werden sich
wohl von selbst in Acht nehmen, den Feinden des vaterländischen neuern
Studienwesens, das ihnen für Kopf und Herz so viele Vortheile gewähret,
durch leichtsinnige Frevel selbst in die Hände zu arbeiten.
19.
Auch in Hinsicht auf ganz freie philosophische
Meinungen und Systeme hofft das kurf.General-Schulen- und Studien-Directorium,
jeder Studirende von reiferen Jahren und unbefangener Seele werde es von
selbst einsehen, daß nur die bescheidene Gelehrsamkeit, die mit Sanftmut
und gutem Herzen belehret, der Menschheit nütze, und die Hochachtung
der bessern Welt verdiene; dagegen Stolz, Spott, und gegenseitige Verschimpfungen
von Seite studirter Menschen immer ein Scandal der Litteratur und überhaupt
eine sehr schlechte Empfehlungfür jene Meinungen sein muß, die
man so zu vertheidigen sucht. "Die Wahrheit", sagt ein sehr verehrungswürdiger
Schriftsteller unserer Zeit, "schwingt nie solche Waffen, um sich in den
menschlichen Geist Eingang zu verschaffen. Feurige Köpfe können
ihre Meinungen sehr leicht als evident ansehen; aber diese Evidenz liegt
oft mehr in ihrem exaltirten Gehirne, als in der Sache selbst; und Jemand
durch Schimpfworte zu seinem Systeme nöthigen, und das Compelle intrare
sogar in die Philosophie einführen wollen, ist die ungereimteste aller
Intoleranzen." Aechte Wahrheitsliebe ist nichts weniger, als brutale Rechthaberei.
Nie sucht sie ihre Denkart Andern aufzudringen, und jene Gelehrten, die
einander über Meinungen hartnäckig und bitter befehden, und dabei
doch von Wahrheitsliebe sprechen, haben sie gewiß nicht im Herzen,
sondern bloß zur Maske ihrer Leidenschaften.
III.
Gesetze und Vorschriften, die moralische Bildung
betreffend
20.
Dem Vaterlande, und überhaupt jedem ordentlichen Staate liegt daran, daß seine künftigen Sachwalter, Richter, Priester und Aerzte nicht bloß wissenschaftliche Kenntnisse, sondern auch reine, unverdorbene Sitten und gute Herzen aus den Schulen mit sich bringen. Gelehrsamkeit ohne Tugend hat nicht den geringsten Werth, und keinem Sterblichen ist ein unmoralischer Wandele weniger zu verzeihen, als demjenigen, der während eines jahrelangen kostspieligen Jugenunterrichts wenigstens das Gute vom Bösen unterscheiden, seine Leidenschaften ordnen und bezähmen, und sich über ganz ungebildete Menschen erheben gelernt haben könnte und sollte.
Jeder Studirende wird es daher von selbst einsehen, daß bereitwilliger Gehorsam, pünctliche Subordination, eine vollkommene ungeheuchelte Hochachtung gegen kurf.Local-Commissärs, Rectoren, und alle öffentliche Lehrer, und überhaupt ein stätes ernstliches Hinstreben zu einer höhern sittlichen Vollkommenheit seine erste unerläßigste Berufspflicht sei, und daß jede Schulobrigkeit, welche sogar in den höhern Klassen, beinahe am Ziele der pädagogischen Laufbahn, noch unmoralische Jünglinge dulden wollte, ihre Schonung und Nachsicht zu weit treiben, die gerechten Hoffnungen der Aeltern, Wohltäter und des Staates unverantwortlich täuschen, und selbst die Ehre und den guten Ruf der vaterländischen Schulen beim Publicum leichtsinnig aufs Spiel setzen würde.
Seiner Pflicht gemäß hat also das kurf.General-Schulen- und Studien-Directorium sämmtlichen Rectoren und Lehrern feierlich aufgetragen, über das sittliche Betragen ihrer Schüler mit allmöglicher Sorgfalt zu wachen, und hierüber in wichtigern Vorfällen unverzüglich, überhaupt aber am Ende jeden Monats mittels der gnädigst anbefohlnen Schulen-Conferenz-Protocolle die gewissenhaftesten Amtsbericht einzusenden.
Wer was immer für einem öffentlichen
Lehrer oder Schul-Obern unehrbietig oder grob begegnet, ist ohne alle Rücksicht
zu entfernen.
21.
Auch der bessere gemeine Mensch, bloß mit schlichtem Verstande und einem unverdorbenen Herzen begabt, fühlt Achtung für die Rechte seiner Mitmenschen, und äußert in allen seinen Handlungen und Reden eine gewisse gesellschaftliche Rechtlichkeit.
Da nun Studirende von reifern Jahren und höheren
Studien diese unerläßliche Grundbedingung zur Sittlichkeit noch
viel genauer kennen, und schon ihr Beruf sie zu einer vorzüglichen
moralischen Kultur verbindlich macht; so hält man es beinahe für
unnöthig, sie durch ein Strafgesetz zu einer Pflicht, die sogar der
ungebildete Taglöhner gewissenhaft beobachtet, sclavisch zwingen zu
müssen. Nur weil in größeren Gesellschaften sich doch manchmahl
einzelne Ausgeartete einschleichen, die ihren Stand entehren; so wird hiermit
erklärt, daß jeder Eingriff in die Rechte und gesetzliche
Freiheit eines Mitmenschen, derselbe mag durch Gewalt oder List verübt
worden sein, die unvermeidliche Dimission, oder, nach Verhältniß
der Sache, gar eine öffentliche Exklusion zur Folge haben werde.
22.
Der Gebildete enthält sich eben so gewissenhaft
von widerrechtlicher Selbstvertheidigung, als er sich auch keine
Herausforderung oder rechtswidrigen Angriff erlaubt. Er weiß
es, daß sich in die gewöhnliche Selbstgenugthuung sehr leicht
Leidenschaft mengt, die zu weit geht, auch daß ihn eben deßwegen
das Gesetz vertheidigt, welches sich immer gleich und gerecht bleibt. Daher
erwartet man auch, daß sich kein Schüler der vaterländischen
Lyceen über einen Angriff auf seine Rechte eine voreilige Selbstgenugthuung
zu verschaffen wagen werde. Jeder kennt seine Schulobern, und kann daher
im Falle einer erlittenen Beleidigung, oder eines ihm zugefügten Unrechts
bei diesem, oder wenigstens durch sie bei andern Behörden Recht und
Schutz suchen, und gewiß auch finden. Selbsträchern gebührt
die nähmliche Strafe des widerrechtlichen Angreifers.
23.
Gesetze über Angriffe und Selbstgenugthuung
beziehen sich natürlicher Weise nicht bloß auf Handlungen; sondern
auch auf Reden und Schriften. Zungen und Federn können eben so leicht
zu weit gehen, wie der stärkere Arm. Gebildete Schüler werden
also diesen, wie jene zu beherrschen wissen; folglich auch alles Schimpfen,
Verläumden
und Pasquilliren den Freunden der Finsterniß überlassen,
die nichts besseres kennen.
24.
Da man auch Jünglingen von höheren Klassen in Hinsicht auf Welt- und Menschenkenntniß keine hinlängliche Erfahrung und Selbständigkeit zutrauen kann, so hält das kurf.General-Schulen- und Studien-Directorium, um die Unerfahrnen Theils vor einigen sittengefährlichen Verhältnissen zu warnen, Theils die Veredlung ihrer Moralität durch nützlich einwirkende Nebenumstände möglichst zu fördern, auch noch folgende Aufträge und Verfügungen für nothwendig:
Jeder Studirende, der nicht bei seinen Aeltern oder nähern Verwandten lebt, soll in Auswahl seiner künftigen Wohnung mit allmöglicher Sorgfalt zu Werke gehen, und sich nur rechtliche, in gutem Rufe stehende Hauswirthe wählen, bei welchen weder seine intellectuelle Bildung beträchtlich gestört, noch seine Moralität gefährlich bedroht werden dürfte.
Um den Schulobern in dieser so wichtigen Angelegenheit
die nöthige Uebersicht zu verschaffen, wird hiermit verordnet, daß
jeder Studirende in Zukunft sogleich am Eingange jedes Studienjahres dem
kurf.Lyceums-Rector eine genaue schriftliche Anzeige, nicht allein in welcher
Gasse, welchem Hause und Stocke, er wohne; sondern auch von dem Stande
und Gewerbe der Familie, bei welcher er wohnet, und von dem Geschlechte
und Alter ihres sämmtlichen Personals, auch die Domestiken mit eingeschlossen,
überreiche, und sodann das Weitere erwarte.
25.
Ohne Vorwissen und Erlaubniß des kurf.Rectorats
eine von diesem einmahl ordentlich genehmigte Wohnung abzuändern,
ist nicht erlaubt. Auch hat das kurf.General-Schulen- und Studien-Directorium
hierüber bei der kurf.Polizei-Direction bereits das Gehörige
eingeleitet.
26.
Bei Familien zu wohnen, deren Gewerbe z.B. in Bierschenken,
Kaffeehäusern u.dgl., offenbare Gelegenheiten zu Abweichungen von
den strengen Regeln der Studirenden darbiethet, ist überhaupt nur
den Söhnen und Verwandten derselben zu erlaube.
27.
Da nicht immer Wohnungen und Kost in demselben
Hause zu haben sind, so soll ebenfalls jeder Studirende in der oben (24.)
erwähnten Anzeige auch das Haus und die Familie anzugeben, wo er sowohl
sein Mittagessen zu nehmen, als auch, wo er gewöhnlich seine Abende
zuzubringen gedenkt.
28.
Außer ihren öffentlichen Berufsarbeiten
und einigen Erholungsstunden sollen studirende Jünglinge nicht viel
außer des Hauses sein. Wer sich nicht schon in seiner Jugend angewöhnt,
gerne im Einsamen seinen Studien obzuliegen, wie unerträglich werden
dem die ungleich größern Anstrengungen seines künftigen
Standes werden?
29.
Jeder Studirende hinterlasse, vorzüglich Abends, bei seien Hausleuten, wo man ihn allenfalls würde antreffen können. Auch wage es keiner, seinen Kost- und Hausleuten rauh oder grob zu begegnen, noch sich zum längern Ausbleiben am Abende einen Hausschlüssel auszubedingen; worüber bereits unterm 14ten Dec.1802 von der kurfürstl.General-Landesdirection ein feierlicher Aufruf des kurf.General-Schulen- und Studien-Directorium an die Aeltern, Kost- und Hausleute zur genauesten Nachachtung ausgeschrieben worden ist.
Wer ohne sehr gegründete Ursache und Vorwissen
seiner Obern eine Nacht außer seiner Wohnung bleibt, ist ohne weiters
zu dimittiren.
30.
Auch in Rücksicht des Umganges haben
Jünglinge allmögliche Vorsicht zu beobachten. Das kurf.General-Schulen-
und Studien-Directorium erwartet daher, daß jeder Studirende sich
nur sittlich gute, geprüfte Gesellschafter auswählen, den Umgang
des Rohen fliehen, folglich auch kein Bedenken tragen werde, in einer für
sein künftiges Wohl so wichtigen Angelegenheit am Ende jedes Monaths
dem kirf.Lyceums-Rector, als seinem bewährten Rathgeber, mit unbegränztem
Zutrauen die Nahmen und Aufenthaltsorte seiner täglichen Gesellschafter
und vertrautesten Freunde, an deren Seite er insgemein die Stunden seiner
Muße zuzubringen pflegt, und im Falle diese keine Studenten wären,
auch derselben Wohnungen, Nahmen, Stand und Alter schriftlich anzuzeigen.
31.
Geheime Verbindungen von mehreren Mitgliedern,
als zur eigentlichen Freundschaft gehören, führen sehr leicht
zu schlimmen Zwecken, und selten zu einem schönern, der nicht auch
ohne sie erreicht werden könnte. Man warnet also auch vor denselben
jeden Studenten.
32.
Wer sich über einen zu freien Umgang mit Personen
des andern Geschlechts eine gerechte Klage zu Schulden kommen läßt,
dem ist der längere Aufenthalt in den vaterländischen Schulhäusern
augenblicklich zu versagen; indem sich mit dem Fortschreiten in der höhern
Geistes-Kultur und moralischen Veredlung nichts weniger verträgt,
als Mangel an Gewissens-Zartheit in diesem Puncte.
33.
Der Umgang mit Büchern ist nicht weniger wichtig, als der Umgang mit Menschen. Schriften und Kunstwerke, welche der jugendlichen Phantasie zu sinnliche Bilder darstellen, sind insgemein eben so schädlich, als böse Gesellschaft, und geben den besten Köpfen und den empfindlichsten Herzen eine schiefe Richtung.
Wer beim gegenwärtigen Ueberfluße moralisch-guter,
nützlicher, lehrreicher Bücher unsittliche aufsuchen kann, verräth
offenbar eine schon sehr verdorbene Seele, und verdienet unwidersprechlich
dieselbe Strafe, womit das Gesetz (32.) einen unerlaubten Umgang bedroht.
34.
Jeder bessere Jüngling, der einem Verführer
auf die Spur gekommen ist, und denselben, er mag durch Mitteilung unsittlicher
Bücher, unehrbarer Zeichnungen, oder durch böse Handlungen und
schamlose Reden der Unschuld zum Aergernisse geworden sein, beim kurf.Schulrectorate,
oder einem Professor anzeigt, hat sich um die gute Sache, um das Heil seiner
Mitmenschen, die Ehre des sämmtlichen Schulwesens, und selbst um die
Wohlfahrt des Vaterlandes verdient gemacht. Immer wird sein Nahme vor der
Welt verschwiegen bleiben, während ihn das stille Bewußtsein
seiner guten Handlung den seligsten Lohn fühlen läßt.
35.
Gleiche Verschwiegenheit, die menschenfreundlichste
Schonung, und allmöglicher Rath werden ferner selbst dem Verführten
zugesichert, der mit reuiger Seele und redlichem Zutrauen einem Professor,
dem Schulrectorate, oder selbst dem kurf.General-Schulen- und Studien-Directorium
seinen Verführer anzeigt, um dem weitern Sittenverderbnisse Einhalt
zu thun.
36.
Da man in Erfahrung gebracht hat, daß schon
öfter Gymnasisten von unberufenen Hauslehrern unterrichtet
worden sind, welche so ein wichtiges Zutrauen auch in moralischer Hinsicht
nie verdient hätten; so wird hiermit allen Lyceisten schärfest
verbothen, sich künftig über gymnastische Lehrgegenstände
eine Instructors- oder Repetitors-Stelle zuzueigen, wenn
sie dieselbe nicht ordentlich von dem Gymnasiums-Rector erhalten haben.
Daselbst hat sich also in dieser Hinsicht jeder Instructions-Kandidat frühzeitig
zu melden, seine Zeugnisse vorzuweisen, sich allenfalls auch einer Prüfung
zu unterwerfen, und sodann immer 3 Tage vor Verlauf jeden Monaths einen
kurzen Bericht über die häusliche Verwendung und Moralität
der ihm anvertrauten Zöglinge an die Professoren ihrer Klassen zu
erstatten, auch sich in wichtigen Fällen bei denselben Rath zu erholen.
Wer sich diesem Befehle Folge zu leisten weigert, soll nicht nur seiner
wirklichen Privatlehrers- oder Repetitors-Stelle verlustig, sondern auch,
nach Verhältniß der Umstände, zu jeder ferneren Unterweisung
im Gymnasium unwürdig erkläret werden.
37.
Da auch die Erhohlungen auf die Moralität großen Einfluß haben, und sich überhaupt aus der Art und Maß derselben ein gegründeter Schluß auf den Geschmack und Character jedes Menschen machen läßt; so verspricht man sich besonders von den Studirenden höherer Klassen, daß sie auch hierin ihrem Stande Ehre machen, sich nie der Manier des rohen, ungesitteten Pöbels mit wieherndem Gelärme, unsittlichen Liedern, tollen Suafgelagen, renomistischem Nachtschwärmen und wildem Rumorn; sondern entweder in reiner, gesunder Gottesluft im großen Tempel der schönen Natur mittels gedeihlicher Bewegungen und gymnastischen Versuche, z.B. mit Eisschießen oder Eisschuhlaufen an gefahrlosen Orten, Ball- und Ballonspiele, oder bei zu rauher Witterung im Kreise gebildeter Menschen, besonders ihrer Standesbrüder, und in untadelhaften Häusern, mittels froher anständiger Gesänge, munterer feiner Scherze und erheiternder Gespräche, allenfalls auch mit geschmackrichtigen Schauspielen belustigen werden.
In dieser letztern Hinsicht kann man den Schülern des kurf.Lyceums zu München die bessern Stücke, welche das kurf.Hoftheater im nächstfolgenden Monathe aufführen wird, immer zum voraus bekannt machen, damit diejenigen, welche sie zu besuchen Lust haben, Geld und Zeit möglichst gut und angenehm verwenden. Die übrigen öffentlichen Theater bleiben noch ferner verbothen.
In Privathäusern Schauspiele selbst aufzuführen,
oder dabei Rollen anzunehmen, soll, des vielen Zeitverlusts wegen, ohne
ausdrückliche Bewilligung des kurf.Rectorats, keinem Studenten erlaubt
sein.
38.
Sich an heißen Sommertagen, jedoch nach vorheriger
langsamer Abkühlung des Körpers, an abgelegenen, und von der
Polizei-Direction dazu anzuweisenden gefahrlosen Orten, mit gewissenhafter
Beobachtung der Ehrbarkeit, zu baden ist erlaubt.
39.
Wer, des schon so oft wiederholten Verbothes ungeachtet,
entweder unerlaubte Wirths- oder Kaffeehäuser, öffentliche Gärten
und Spielplätze besucht, oder sich in einem vom Lyceums-Rectorate
mit Genehmigung des kurf.General-Schulen- und Studien-Directoriums nahmentlich
erlaubten Bräu- Kaffee- oder Wirthshause außerhalb den hierzu
bewilligten Abendstunden (in der ersten Schuljahrshälfte von 6 bis
9 Uhr, in der zweiten von 7 bis 10 Uhr) antreffen läßt, hat
sich eines sehr sträflichen Ungehorsams und einer offenbaren Geringschätzung
gegen seine rechtmäßigen Obern schuldig gemacht, und hat auf
eben erwähnte Erlaubniß keinen fernern Anspruch mehr. Ueberdieß
ist der kurf.Polizei-Direction volle Macht eingeräumt, dergleichen
frevelhafte Uebertreter des Gesetzes auf der Stelle weg- und dem kurf.Lyceums-Rector,
als derselben eigentlichem Obern, zuzuführen. Wer sich dieser Verfügung
widersetzt, oder auch in einem erlaubten Gasthause durch ein rohes, oder
unsittliches Betragen seinen ehrwürdigen Stand entehret, ist zur förmlichen
Exklusion geeignet. Diejenigen edleren Jünglinge aber, welche sich
auch von dem Besuche erlaubter Wirthshäuser enthalten, und dafür
einen, Studirenden ungleich angemeßeren Umgang vorziehen, werden
sich bei ihren Schulobern vorzüglich empfehlen. In öffentlichen
Gast- oder Wirthshäusern Tanz- oder Bettelmusik aufzuspielen ist allen
Studirenden bei schwerer Strafe untersagt.
40.
Alle Spiele für Geld, besonders jene,
dabei der Körper keine gesunde Bewegung, und der denkende Kopf beinahe
keine Beschäftigung hat, sind verbothen. Die schrecklichen Folgen
der leidigen Spielsucht, hat diese einmahl in jungen Herzen tiefere Wurzeln
geschlagen, sind unübersehbar; und wenn man auch manchmahl etwas Geldgewinnt,
so geht doch dafür immer die unschätzbare, unwiderrufliche Zeit
verlohren. Jeder Uebertreter dieses gemeinnützlichen Gesetzes ist
daher ernstlich zu betrafen.
41.
Außer den verordnungsmäßigen Vakanz- und Ferientagen werden keine andere mehr gestattet. Ueberhaupt aber sind auch diese ordentlich bewilligten Ruhetage zu nichts weniger, als zum Müßiggange und Nichtsthun; sondern Theils zur nothwendigen Wiederholung des bereits Erlernten, und zur nützlichen Vorbereitung für die nächstfolgenden Lehrgegenstände, Theils zu schriftlichen Stylübungen oder Erlernung der in unsern Zeiten so unentbehrlichen Sprachen der Neufranken, Engländer und Italiener bestimmt.
Im Frühlinge und Sommer sollen an dergleichen
Tagen auch manchmahl nützliche Spatziergänge angestellt werden,
um die in Schulen erhaltenen naturhistorischen Kenntnisse durch eigene
Pflanzen- Mineralien und Insecten-Sammlungen noch mehr zu erweitern, oder
bei einem erfahrnen Gärtner, besonders fürs künftige Landleben,
Unterricht in der Blumen-Kultur, und der in Baiern so nothwendigen Obstbaumzucht
zu nehmen, um mit der Zeit in seinem Wirkungskreise wieder andere lehrbegierige
gute Landleute darin unterweisen zu können.
42.
In den Weihnachtsferien bleiben künftig die Hörsähle nur am Nachmittage des heiligen Abend, und am Christ- und Stephanstage verschlossen, im Karneval nur die letzteren 3 Tage, zur österlichen Zeit vom Nachmittage der Mittwoche bis zum Osterdiensttage, und in den Pfingstferien nur am Sonn- und Mondtage.
Während eben erwähnter Ferien und überhaupt
im Verlaufe des Schuljahres zu verreisen, ist aus sehr wichtigen physischen
und moralischen Ursachen nicht mehr zu erlauben. Jünglinge, welche
zu viel Sehnsucht nach Vakanztagen, Ferien und Lustreisen äußern,
verrathen, leider, auch eine offenbare Neigung gegen Wissenschaften und
Berufsthätigkeit, und tragen am Ende ihrer Studien den schädlichen
Wahn, als müßten immer auf jedes Par Geschäftstage gleich
wieder ein Ruhetag folgen, mit sich in die künftigen Staatsdienste
hinüber.
43.
Nachdem man bisher erfahren hat, daß auch
sonst fleißige, gute Jünglinge aus den größtentheils
unter rohen Menschen in Unthätigkeit und Müßiggang zugebrachten
Herbstferien
(vom 8ten September bis 1ten November) träge, und beinahe ganz umgeändert
zu ihren Studien zurückkehren, so verordnet das kurf.General-Schulen-
und Studien-Directorium, daß künftig auch die Schüler der
Lyceen am Ende jedes Studienjahres von ihren Professoren ein Thema zu einer
ihren Klassen angemessenen schriftlichen Abhandlung erhalten, und sodann
am Eingange des nächstfolgenden Schuljahres, sogleich bei den sogenannten
Inscriptionen, ihre Ausarbeitungen dem kurf.Lyceums-Rector einhändigen,
allenfalls auch Producte ihres eigenen freiwilligen Fleißes, etwa
einem Tagebuch, oder eine Beschreibung ihrer Herbstferien nebst einem Verzeichnisse
der während der Vakanz von ihnen gelesenen Schriften vorlegen sollen.
Die Rectoren haben sodann jene schriftlichen Versuche den Professoren nach
ihren Lehrfächern zur Beurtheilung zuzustellen, und diese den innerlichen
Werth derselben in die Berechnung des neuen Schuljahres zu bringen.
44.
Die wichtigsten Einflüsse, auf die moralische Veredelung menschlicher Herzen hat unstreitig die Religion. Sie bleibt bei jedem Wechsel des Schicksals, auch wenn Glück und Freude uns verlassen, noch unsre treue Begleiterin, und führt uns getrost und zufrieden auf sichern Wegen ans Ziel unsrer irdischen Pilgerschaft; dagegen Frevler, von ihr verlassen, auf gefährliche Abwege sich verirren, im Unglücke zagen, und vor dem Tode ängstlich zittern.
Jeder bessere Mensch hält auf Religion, und
äußert daher auch bei religiösen Handlungen seine innige
Theilnahme und ungeheuchelte Ehrfurcht. Nur der Thor sagt es in seinem
Herzen: Es ist kein Gott. Wagte er es laut herauszusagen, so würde
ihm die ganze Schöpfung entgegen rufen: Du bist ein Thor!
45.
Das kurf.General-Schulen- und Studien-Directorium machte es sich gleich nach seiner Aufstellung zur ersten Pflicht, an sämmtliche vaterländische Lyceen und Gymnasien eine allgemeine Vorschrift zu zweckmäßigen Verbesserung der Studenten-Gottesdienste unterm 25ten Nov.1802 zu erlassen, und nahm dabei auf die moralischen Bedürfnisse und stufenweisen Fassungskräfte der Jugend die möglichste Rücksicht. Sollte nun sogar ein Studirender von reiferen Jahren, oder höhern Schulen bei diesen religiösen Zusammenkünften und gottesdienstlichen Handlungen, anstatt denselben seine pflichtschuldige volle Ehrfurcht zu bezeugen, und dabei den Allgegenwärtigen in Geist und Wahrheit anzubethen, sich ungebührlich zu betragen, durch bübisches Schwätzen, leichtsinniges Umherschauen, muthwilliges Lachen, unanständige Stellungen und Bewegungen u.dgl. Anderen zum Aergernisse zu werden sich erfrechen, der hätte sein Urtheil selbst gesprochen, und gleichsam öffentlich erkläret, er sei seines erhabenen Berufes unwürdig, gehöre nicht unter gebildete Jünglinge, und gedenke nicht länger in einem Schulhause zu bleiben, wo man sich zu den Ständen des Vaterlandes vorbereitet.
Wer einer gottesdienstlichen Verrichtung beizuwohnen
gehindert worden ist, entschuldige sich sogleich nach der nächstfolgenden
Vorlesung beim Lyceums-Rector. Wer dieß zu thun unterläßt,
oder wer 3 Tage, ohne ehevor eine geltende Ursache beim Lyceums-Rector
angezeigt zu haben, gänzlich weggeblieben ist, oder aus erwiesener
Nachläßigkeit öfter merklich zu spät zu kommen pflegt,
verräth ebenfalls einen sträflichen Mangel an religiösen
Gefühlen, eine auffallende Gleichgültigkeit für Ordnung
und Pflicht, und kann nach Verhältniß der Sache, besonders wenn
auch sein übriger Wandel zweifelhaft, oder sein Fortgang mittelmäßig
ist, von den Studien entlassen werden.
46.
Auch im Hin- und Zurüchgehen zu und von dem Gottesdienste soll immer zur allgemeinen Erbauung die genaueste Ordnung und eine feierliche Stille herrschen.
Während der heiligen Messe ist, um
jede unanständige Lectüre zu entfernen, alles besondere Lesen
gänzlich untersagt, indem man die Verfügung getroffen hat, daß
der diesen religiösen Versammlungen zum Grunde liegende Zweck durch
gemeinschaftlichen Gesang und laute Vorlesung passender Gebethe und rührender
Betrachtungen befördert, und nur an Sonn- und Feiertagen kurze Ruhepuncte
gelassen werden sollen, welche jeder Studirende durch eigenes Nachdenken
über seine religiöse und moralische Bestimmung sehr leicht ausfüllen
kann.
47.
Bei so erhabenen Berufspflichten, so vielen schönen Gelegenheiten, und kräftigen Hilfsmittel zu einer edleren Kultur gelangen, und besser, weiser und vollkommner, als gemeinere Menschen, werden zu können, und zu sollen, verspricht sich das kurf.General-Schulen- und Studien-Directorium nicht bloß von jedem einzelnen zu höheren Hoffnungen heranreifenden Staatsbürger auch ein verträgliches und edles Betragen gegen alle Menschen ohne Unterschied ihrer Religion und Herkunft, ein stätes ernsteres Streben nach allmöglicher Reinheit der Sitten, eine unbefangene Wahrheitsliebe und strenge Rechtlichkeit in jeder Rede und That; sondern erwartet auch von allen zusammen einen bescheidenen Gemeingeist und edlen Stolz für die Ehre ihres Standes, und überdieß selbst zwischen Klassen und Klassen ein ehrenvolles Wetteifern, kraft dessen jede die andere an Rechtschaffenheit, moralischer Veredlung und schönen Thaten zu übertreffen, jeden dem guten Rufe des vaterländischen Studienwesens nachtheiligen oder verirrten Mitschüler durch freundschaftliche Vorstellung zurechtzuweisen, oder, nach fruchtlosen Versuchen zu desselben möglichster Besserung, selbst den Rath und die Hülfe der rechtmäßigen Obrigkeit aufzufordern sich möglichst bemühen wird.
Sollten aber gegen alles vermuthen einzelne Ausgeartete
zur unverzeihlichen Schande ihres schönen Berufes gröbere Sittengebrechen
und wilde Ausbrüche von rohen Leidenschaften, besonders Beweise einer
niedrigen, mit dem biedern baierischen National-Character auffallend konstrastisirenden
Tücke und Herzensverdorbenheit sich zu Schulden kommen lassen, oder
ihren Stand mit unverschämten Lügen, lüderlicher Schuldenmacherei,
Besuchung obscöner Cloaken, Berauschungen, Schlägereien u.dgl.
zu entehren kein Bedenken tragen; so sieht sich das kurf.General-Schulen-
und Studien-Directorium um so mehr berechtigt, und dringendst aufgefordert,
diese Unwürdigen zur gerechten Strafe, und ferneren Verhütung
des Aergernisses, ohne Schonung, unverzüglich, und mit Feierlichkeit
zu exkludiren, nähmlich nicht allein ihren ferneren Umgang
allen Studirenden von Klasse zu Klasse bei Strafe untersagen, und ihre
Nahmen in dem Schulhause, in welchen sie studirt haben, öffentlich
anschlagen zu lassen; sondern auch allen kurf.Local-Studien-Commissionen
der übrigen Lyceen und Gymnasien, und der hohen Schule zu Landshut
von ihrer verdienten Exclusion, damit ihnen die vaterländischen Schulen
zur Fortsetzung ihrer Studien nirgends mehr offen stehen, ungesäumte
Nachricht zu ertheilen, und sie zugleich zur nothwendigen plötzlichen
Entfernung, oder weiteren Verfügung der kurf.Polizei-Direction zu
übergeben, oder, nach Verhältniß der Sache, bei der gehörigen
Behörde zum Soldatenstande in Vorschlag zu bringen.
48.
Den Excludirten sind weder vom kurf.Lyceums-Rectorate,
noch von ihren ehemaligen Professoren Zeugnisse zu ertheilen. Dimittirte
aber erhalten zwar sogenannte Testimonien; jedoch mit dem ausdrücklichen
Beisatze, daß man denselben den Rath, die Studien auf immer zu
verlassen, wohlmeinend ertheilt habe. Auch davon erhält die kurf.Polizei-Direction
jedes Mahl ungesäumte Anzeige, damit nicht noch ferner für Studirende
passiren, die es nicht mehr sind.
49.
Wird ein Studirender in den Karzer gesperrt, oder aus was immer für einer Ursache mit der Dimission oder Exclusion bedroht, so läßt der kurf.Lyceums-Rector jedes Mahl auch dessen Aeltern oder Hausleuten durch den Pedell davon ungesäumte Nachricht ertheilen, damit auch diese, womöglich, zur Besserung des Irrenden oder Verführten pflichtschuldig mitwirken.
Diejenigen, deren sittliche Aufführung während
des Schuljahres nicht rein genug war, haben in der nächsten Semestral-Berechnung,
so ausgezeichnet auch ihr wissenschaftlicher Fortgang immer sein möchte,
auf keinen Platz in der ersten Klasse Anspruch.
50.
Damit bei strafbaren Fällen, oder öffentlichen
Verhaftnehmungen kein Nichtstudirender sich mehr für einen Studenten
ausgeben kann, soll jeder wirklich Studirende seine Polizei-Karte
immer bei sich tragen, um sie auf Verlangen, oder im Nothfalle vorweisen
zu können. Excludierten und Dimittenten werden diese Polizei-Karten
abgenommen, oder umgeändert.
51.
Die Nahmen derjenigen, mit deren Sittlichkeit alle Schulobern und Lehrer vorzüglich zufrieden zu sein Ursache hatten, werden am Ende jedes Schuljahres in alphabetischer Ordnung dem öffentlichen Kataloge beigefügt, nicht, um sie auf diese Weise zu belohnen (den seligsten Lohn verschafft ihnen ihre innere Selbstachtung); sondern um die weitern Behörden in ihren weisen Absichten zu leiten, und dem Vaterlande über die allerwichtigste Angelegenheit seiner angehörigen öffentlich pflichtmäßige Rechenschaft abzulegen.